Die Geschichte der Kirchenglocken zu Erle (bis 1923)
von Hauptlehrer Heinrich Lammersmann 1927
X
„…Friede dann am Paderquell,
Das erste Glöcklein läutet hell.“
                           Joh. Wormstall.


Der Dichter hat recht, erst nach Besiegung durch Karl den Großen erscholl in den Gauen der Sachsen das Glöckchen. Mit der neuen Religion war es aus dem Orient herüber gekommen. Den Sachsen war es fremd. Bis zu dieser Zeit hatten sich die Bewohner auch verständigt, um sich zu warnen, zu rufen oder zu freuen, aber sie gebrauchten dazu andere Mittel. Zunächst dem Hoftore hatte man ein buchenes Brett aufgehängt und schlug mit einem Holzhammer dagegen, wenn man den benachbarten Höfen eine schleunige, eilige Nachricht geben wollte. Es war die Hillebille. Daneben hatte man den Schildruf. Wenn der Sachse seinen langen Schild neben oder unter seinem Mund hielt und darüber aus voller Lunge in die Wälder oder in das Kampfgetöse brüllte, so waren die Merkworte weithin zu vernehmen und zu verstehen. In den großen Volksversammlungen regierte nicht das Glöcklein, sondern man schlug mit dem Sax an den Schild, und jeder verstand diese Sprache. Zu den robusten Naturmenschen paßten diese Aeußerungsmittel recht gut. Die milde, liebende und duldende christliche Religion konnte solche Mittel um Trauer oder Freude, Wut oder Angst und Not auszudrücken nicht gebrauchen. Sie führte daher die Glocke ein, die mit ihrem sanften, singenden Klange vorzüglich zur ihr paßte. Mit einer kleinen Handglocke wird der Sachsenmissionar sein Erscheinen am Hoftor verkündet, mit derselben wird er die Bewohner zusammengerufen haben. Das Glöcklein erklang hell, als unter dem Laubdache des Sachsenwaldes das erste Meßopfer dargebracht wurde. Die Glocke wurde mit den Christengemeinden größer und größer. In der Form ist sie wie die Religion im Grund dieselbe geblieben. Waren die Merowinger in Erle Christen, so klang auch schon im 5. und 6. Jahrhundert das Glöcklein in der Siedlung. Das Kreuz in Grab Nr. 1 beweist uns das erste und bezeugt auch das letztere.

Es ist einfach wunderbar, wie die Glocken sich die Herzen der Menschen erobert haben. Derselbe eiserne Klöppel schlägt an dieselbe Stelle der bronzenen Krone und gibt allen Gefühlen Ausdruck, die jemals das Menschenherz bewegen. Ja, die Glocken sind geradezu Personen geworden. Sie jubeln und freuen sich mit den Fröhlichen, sie mahnen und rufen die Säumigen, sie schreien dröhnend um Hilfe in Gefahr und Not, sie trauern und weinen mit den Traurigen. In alten Zeiten legte man den Glocken übermenschliche Kraft bei, sie sollten Blitz und Donner brechen und durch ihren ehernen Mund Schaden und Unglück abwenden. Die Hochschätzung ging noch weiter. Man taufte die Glocken für den Dienst Gottes und gab ihnen einen guten Namen. Wichtige Worte in Poesie und Prosa schrieb man um den Hals und fügte das Datum ihrer Entstehung und den Namen des Meisters hinzu, der sie kunstvoll mit Verzierungen in der Nähe der Kirche goß. Wie große Herren hielten die Glocken ihren Einzug, feierlich wie Sieger waren Sie mit Eichenlaub bekränzt und wurden von allem Volk empfangen mit Orgelton und Liedern. Wurde eine Glocke schadhaft und unbrauchbar, so stieg sie von ihrer Höhe herab, dann wurde sie bedauernd aufgenommen und mit Kränzen geschmückt zu neuen Auferstehung in die Glockengießerei gefahren. Diese hohe Wertschätzung hat sich die Glocke erworben mit ihrem einfachen Anschlag. Allerdings löst der Anschlag nicht nur einen Ton aus der Krone, sondern gar viele Unter- und Obertöne, die wie Akkorde mitklingen. Der Mensch aber findet bei seinen Gefühlen immer den Ton, der zu seiner Gemütsbewegung paßt. Der Rhythmus und die Zusammenstellung verschiedener Glocken mögen die Übereinstimmung zwischen den Glocken und den menschlichen Gefühlen beeinflussen und fördern. Kennt nun jeder Mensch seinen mitfühlenden Freund in der luftigen Glockenstube? Nein!

Nur ganz wenige Menschen werden sie nur gesehen haben. Die Mehrzahl hat sie nie geschaut. Wer kennt ihre Geschichte, ihre Sprüche, ihre Entstehung? Niemand! Die Glockenstube im Turm ist für viele nicht so leicht zu erreichen, Treppen und Stiegen sind beschwerlich, und doch lohnt es sich, sie zu besuchen und Um- und Ausschau zu halten.

Die glückliche Idee der Gießer, Sprüche, Jahreszahlen, Namen des Gießers und des Auftraggebers an dem Halse der Glocke anzubringen, macht die Glocke zu einem wichtigen Dokument der Kunst- und Dorfgeschichte.

Der älteste bekannte Glockenguß für die Pfarrkirche zu Erle geschah 1469. Die Glocke hatte die Inschrift: „De levenden rop ick, de todden beklage ick, hagel un donner breke ick, Catharina hete ick“. MCCCCXXXXXXIX. Weiter enthält das Pfarrarchiv nichts. Der Name „Katharina“ war bei Glocken sehr gebräuchlich. (Siehe „Münsterland“ 1919 Juli, August und November, Beitrag des Herrn Musikdirektor Prof. Dr. Max Geisberg, Münster.) Diese Katharinenglocke hat der Gemeinde Erle bis 1851 gedient. Beim Totengeläute war sie gesprungen und wurde im selben Jahre von Gebr. Edelbrock umgegossen. Die Nachfolgerin hatte am Halse als Verzierung Eichenlaubornamente, Sterne und Eichengehänge. Im langen Felde stand folgende Inschrift: „Salve regina, mater misericordiae Vita, dulcedor, et spes nostra, Ego nominor Maria Ferdinandus & Frat. Edelbrock ex Gescher me fearunt, 1851“. Auf der anderen Seite war das Bildnis der unbefleckten Jungfrau Maria. Sie wog 737 Pfd. Ihre Vorgängerin, die Katharinenglocke, wog 570 Pfd. Die Salve regina-Glocke läutete am 21, Juni 1917 zum letzten Male und mußte dann nach Wulfen abgegeben werden.

Im Jahre 1792 wurde die große Glocke durch den Glockengießer Petit aus Dinslaken umgegossen, da sie „geborsten“ war. Sie hat nach der Chronik ein Gewicht von 1520 Pfund gehabt. Wo und wann sie entstand, und wer sie gegossen, ist noch unbekannt. Ebenso wenig wissen wir über Verzierung oder Ton etwas. Ihre Nachfolgerin war 791 ½ Pfund schwerer und wog 1599 ½ Pfund. Sie hatte einen unteren Durchmesser von 1,05 Meter und eine Höhe von 0,88 Meter. Um den Hals zogen sich sechs erhabene Reifchen in gleichen Abständen. Zwischen diesen Reifchen verteilt standen Sternchen im Verbande. Auf der Reifchengruppe standen Urnen in gleichen Abständen, die durch Schlingen verbunden waren. Unten an den Reifchen diente hängender Alcanthus als Verzierung. Die Inschrift lautete: „Henricus Petit me fecit anno 1792“. Unten im langen Felde trugen 3 Gruppen Reifchen einen stehenden Lorbeerzweig mit 7 Blättern, drei rechts, drei links und eins an der Spitze. Dieser Zweig wurde als das Gießerzeichen angesehen. Da diese Glocke keinen Namen trug, so wurde sie allgemein „große Glocke“ genannt. Im Jahre 1917, am 21. Juni, erscholl sie zum Abschiede und wanderte mit der kleinen „Regina“ nach Wulfen. Ein gefangener Franzose, Henri Michel aus Roijon, brachte die beiden bekränzten Schwestern auf Böckenhoffs Wagen nach dem Amte.

Die Silvester-Glocke, an Größe die mittlere, an Schönheit und Alter hervorragend, blieb alleine zurück und mußte den Dienst in Freud und Leid alleine versehen. Eine kleine abgebaute Eisenbahnerin half zwar mit ihrer dünnen, stählernen Stimme die Viertelstunden des Tages herauszuhämmern; aber die verschiedene Veranlagung lies keine Harmonie aufkommen, und so blieb die Silvesterglocke einsam im Hauptdienste der Gemeinde Erle. Sie ist aber auch eine echte, rechte Erlerin. Im Schatten des Dorfes wurde sie im Jahre 1651 auf der „Worte“ von Meister Johannes Formica gegossen. Es war eine notvolle Zeit. Spanier, Niederländer und Hessen hatten nacheinander unsere Heimat ausgesogen und vollendet, was die religiösen Wirren in der Vorzeit, im 16. Jahrhundert, begonnen hatten. Adelige und Bauern waren ganz erschöpft und die Kirchen verwüstet und leer (S. Heimatkalender der Herrlichkeit Nr. 5 Jahr 1929 „Spanier“.) Trotz alledem gelang es dem eifrigen Pastor Michael Spanier (1622-1660), die Mittel zu beschaffen und den Meister Formica für den Glockenguß zu gewinnen.

Woher der Meister Joannes Formica (Ameis) stammte, meldet die Chronik nicht. Vielleicht war er ein Kölner. (Die Kölner Volkszeitung schreibt unter Merksel in Nr. 358 v. Jahre 20: „Später war der Kölner Hof von 1624-1638 Wohnung des berühmten Buchdruckers Math. Formica.“) War Joannes auch Maler und Bildhauer? Zwei Steinfiguren trugen an der Standplatte die Inschrift: „Joannes F.“ In der Kirchenrechnung vom Jahre 1649 schreibt Pastor Michael Spanier „Meister Joannes der Maler auff zwo weise gehabt, in unsr Kirche eines funf wochen undt eins 3 wochen. 3 wochen bei uns de Kost gehabt. Wochentlich 1 Rth. Facit 3 Rth. ihm gegeben for dat malen ahn dem gewölbde in beisein beider Kirchenmeisteren Brandt und Averhagen 12 Rth. oder 24 lichte Dall“. Im „Münsterland“ November-Nr. 1919 schreibt Prof. Max Geisberg (Münster): „ Von einem Joannes Formica (Ameis), der seit 1631 im Sauerlande zu verfolgen, besitzt das Hochstift nur eine von ihm gemeinsam mit seinem Bruder Mamertus gegossene Glocke in Lette von 1642“. Die Erler Silvesterglocke kommt also im Hochstift Münster noch hinzu. Von einer Beihilfe seines Bruders Mamertus ist bei der Erler Schöpfung nichts bekannt.

Die Erler Silvesterglocke bezeugte, daß Joannes Formica Liebe und Glauben mit in die Form gegossen hat. Sie war nur klein und hatte eine Gewicht von 13 Ztr., der untere Durchmesser war 0,96 Meter und die Höhe betrug 0,76 Meter. Am Halse befanden sich zunächst Renaissanceornamente. Dann kamen zwei Reihen Lapidarschrift: „× De Lebendigen rope ick, de Doden beweine ick, Hagel undt Donder breicke ick, Ao 1651“. In der zweiten Reihe stand: „D × Michael Spannier Pastor in Erle me fieri euravit Joannes Formica me fecit“. Dann kamen wieder Renaissanceornamente mit Engelsköpfen in schöner Arbeit. Im langen Felde stand das Wappen des Kirchenpatrons und die Inschrift: „Dem woll edel undt gebornen Heren Heren Borchardt Freiher von Westerholt Her zu Lembeck Erbholtrichter undt Colator der Kirchen zu Erle“. Im langen Felde stand ebenfalls ein Bild der Mutter Gottes mit dem Kinde an der Brust in Medaillenform. Das Bild unseres Kirchenpatrons Silvester mit einem großen, gemusterten Kreuze in der rechten und dem Hirtenstabe in der linken Hand schmückte auch das lange Feld. Ein kleines Kreuz war anscheinend das Gießerzeichen des Joannes Formica und fand sich im langen Felde und im Ornamente. Am unteren Rande stand: „Mathias Brandes Bernard Averhagen Kirchmeistre.“

Der Herr Sachverständige schrieb 1917 bei Beurteilung dieser Glocke: „Ganz hervorragend schöne Glocke in Form, Schrift und Zier; eine der schönsten im Landkreise Recklinghausen. Dies ist um so bemerkenswerter, als die Glocken nach dem 30 jährigen Kriege an künstlerischer Eigentümlichkeit nicht reich sind“. Ob der Meister Joannes mit Gehilfen oder allein mit Hilfe der Erler gearbeitet hat, ist nicht mehr festzustellen. Auch ist nicht angegeben, wie lange die Arbeit gedauert hat. Wohnung und Kost hatte der Meister bei einem Erler Bürger, namens „Johan Brandis“. Es scheint, daß dieser und ein „Johan Spanier“ (Ein Verwandter des Pastors) auch die 150 Reichstaler Meisterlohn geborgt haben. Beide Gläubiger wurden aus der Allmende (dem noch ungeteilten Bodenbesitz der Gemeinde) entschädigt und bezahlt, wie folgende Urkunde im Pfarrarchiv beweist:

     „Ich Borchardt Freiherr von Westerholt Herr zu Lembeck Capell unnd Lague Fürstlicher Münsterischer Marschalik und Rath, Erbholtsrichter des Kerspels Erle und Erler Marken thun Kundt und bezeuge hiermit vor Jedermannigliche nach dener heu dato Albert Backenhoff, Dirck Bente aufm Hock, Johan Grewinck, Johan Stegerhoff, Direck Nienhaus angesetzter Vorsteherr Erler Mark. Thies Brandt und Berndt Averhagen Kirchmeistern forth die Brimivalisten und ammtliche gemeinsheit des Kerspels Erle erschienen und mit unterthänich vortragen lassen daß maaßen Sie zu lob und Ehren Gottes vor wenich tagen eine Klocke gießen laßen, davon das meisterlohn und Pritze (Preiße) also hoch belaufen thete, daß bei diesen beschwerlichen Zeiten von der gemeinheit fas ohnmögelich beihzubrengen und daherro instenigh angehalten und erbatten Ihnen zubewilligen, daß zu solchen endt ein stück groen landts in der Sielhors, zwischen Askamp und Ride-Haane heetwischen gelegen ahn Johan Spanier und Johan Brandis, eingesekene des Kerspels Erle vor hondertfueffzich Reichsdaler, damit Sie beihderseiths friedigh, verkauffen und abstehen mogten.
     
      Das Ich in solchen Verkauf consentyrt habe, wie ich dan hiemit unnd vor meinen nachkömmlichen krafft dieses brieffs consentyre, bewillige und zuloße, daß die Borsteher, Kirchenmeisterr und sämptliche gemeinheit Kerspels und Erler marken, gemeltes stück gröenlandt erb- und ewiglich ohn einigh darin verpbleibenden beschwer, verkauffen und freih einreumeh, auch solchen Verkauff Ihnen oben gemelt fäststehen und wahre und bestergestalt rechtens dainnsitigh vollenkommenr warschaff thue, solle und wollen. Inmaßen dan Ich ebenfalls daßgenigh so mir ahne den Behenden senniah, Jahrlichs als höver dienste und sonften außgemalte groenlandt competirt, jedoch ohne consequents und der in einigen präjubitz aus sonderlichen Mir dazubewegenden Ursacheh, Ihnen Johan Spaner und Johan Brandt verkauft und Uebergeloßen auch aller ansprach und prätensionis so darahn gehabt mich gentzlich hiemit begebe habe, dergestalt jedoch daß die Kaufferr alsolch stück gröen oder wischenlandt hernachmahlen abstehen verkaufen wolle, daß solchenfalls die Eingeseßener Kerspels Erle und markgenoßen Erler marken zu gemelte Kauff die nahesten sein und vor anderen solle zugelaßen werdeh, alles ohne gefahrde und arglist, und habe zur wahrheit verkündt diese bewilligungh mit meiner eigenhändiger Underschriff und gewöhnlichen einsiegell bekräfftige, volle So geschehen, aufm hauß Lembeck, den 2. tagh monats Julich Jahrs 1651 B.v. Westerholt“.


Die vorstehend überschriebenen Gründstücke sind noch heute im Besitz der Nachkommen und heißen im Kataster u. Volksmunde „Klockenwiesche“.
 


Quelle: Archiv Walter Biermann, mit freundlicher Genehmigung



Der milde gis-Ton der Silvesterglocke wurde besonders allein gebraucht bei der Wandlung, bei Versehgängen und Begräbnissen der Kinder. Im Vollgeläut wirkte er mehr füllend als herrschend. Gerne hätten die Erler dieses ehrwürdige und kunstvolle Glöcklein behalten, aber die Vorfahren hatten ihre Gefühle derart an die bronzene Krone gehämmert, daß nach allen Seiten tiefe Ausbuchtungen entstanden waren und die Rundung des Tones stark gelitten hatte. Eine Anpassung zweier neuer Glocken an die Silvesterglocke wurde abgelehnt, und so mußten wir das alte, liebe Glöcklein ziehen lassen, um das neue Geläute zu verbilligen. In der Not erstanden, in der Not vergangen. Deine Schönheit aber wollen wir in Bild, Abdruck und Schrift festlegen für alle Zeiten. Du aber steige wieder empor, wie ein Phönix aus der Glut, in junger Gestalt zu altem Tun in alter Treue.

Bräutlich geschmückt standen die drei neuen Glocken am 21. Dezember 1923 vor dem Turmportal. Sie waren anfangs Oktober 1923 bei der Firma Edelbrock in Gescher bestellt und von Theodor Breil und Gerhard Olbing freudig auf den Wagen von Gescher geholt worden. Am Sonntag, dem 22. Dezember hielt der sel. Dechant Karthaus im Hochamt eine Predigt über die Bedeutung der Glocken im christlichen Leben. Des Nachmittags wurde die Glockenweihe näher erklärt und dann unter Beihilfe des Herrn Kaplans Ant. Berning vorgenommen. Es herrschte eine große Kälte; doch hielten es die Leute vor dem Turme aus, denn man wollte doch bei der Feier dabeigewesen sein. Die bronzenen Glocken sind im Guß außerordentlich gut gelungen und geben die Töne dis-fis-gis. Die größte Glocke mit dem Tone dis hat ein Gewicht von 1451 Kilogramm und einen Durchmesser von 1,30 Meter. Sie bekam den Namen unseres Kirchenpatrons Silvester. Sein Bild befindet sich im großen Felde. Die Inschrift heißt: „St. Silvester Patrone noster conforta nos in fide“. Die mittlere Glocke ist der Mutter Gottes geweiht und trägt auch ihr Bild (Patronin Bavariae). Sie wiegt 800 Kilogramm, hat den Ton fis und einen Durchmesser von 1,10 Meter. Die Umschrift lautet: „Nos cum prole pia benedicta Virga Maria“. Die kleinste Glocke mit einem Gewichte von 536 Kilogramm und einem Durchmesser von 0,96 Meter hat den Ton gis. Sie ist den heiligen Schutzengeln geweiht. Im langen Felde der Glocke steht das Bild des heiligen Schutzengels. Die Umschrift lautet: „Sancti Angeli Custodes, illuminate, regite, custodite nos“. Die drei Glocken kosteten 3503,75 Gulden (holländische). Der Glockenstuhl mußte umgebaut werden. Unter Leitung der Monteure besorgten dies unsere Handwerker kostenlos. Es arbeiteten daran Herm. Kuhlmann und Sohn, Alons Berger, Bernh. Gördes, Fritz Heidermann, Johann Ebbert, Heinrich Sagermann und Franz Ebbing. Letzterer besorgte die Schmiedearbeit. Von Montag bis Mittwochnachmittag war die Arbeit gemacht. Als am Mittwoch alle Glocken zum ersten Male im Probeläuten erschollen, da lauschte die ganze Gemeinde bewegten Herzens, und auch die Nachbarschaft bewunderte das schöne neue Geläute von Erle, das vor dem schon den Beifall des hochw. Domchordirektors Cortner aus Münster gefunden hatte. Trotz der Beihilfe der Handwerker kostete die Armatur noch 1279,10 Goldmark. Für die alte Silvesterglocke wurden 666,20 Goldmark zurückvergütet.

Der Geldbetrag für die Armatur wurde sofort von Franz Nienhaus nach Gescher gebracht. Zur Beleuchtung der Zeit sei mitgeteilt, daß derselbe einen großen Rucksack auf dem Rücken und eine Schachtel vorne auf dem Rade mit gebündelten Inflationsgeldscheinen gefüllt hatte, um die schuldigen Goldmark bezahlen zu können.

Der Name des seligen Dechanten P. Karthaus steht nicht auf den Glocken, obwohl er ja der Spender der 3503,75 holl. Gulden war. In seiner großen Bescheidenheit verweigerte er die Genehmigung, seinen Namen auf den Glocken einzugießen. Die Glocken, als Dokumente, sind also unvollständig geblieben. Um so lauter möchte ich es verkünden, damit die lebende Generation es an die kommende vererbt und der harmonische Klang des prächtigen Geläutes in den Herzen der Erler Bewohner stets ein dankbares, christliches Gedenken an ihren verstorbenen Pfarrer und Dechanten Karthaus auslöst.




Anmerkung von Michael Kleerbaum: Leider wurde aus dem frommen Wunsch von Heinrich Lammersmann nichts, den bereits keine 20 Jahre später mußte die Gemeinde die beiden großen Glocken am 22.01.1943 bei den Nazis abliefern, die aus den eingeschmolzenen Glocken „kriegswichtige“ Gegenstände hergestellt haben. Die verbliebene dritte Glocke wurde bei der Zerstörung der Kirche 1945 ebenfalls zerstört. Erst am 09.05.1951 treffen in Erle die neuen Glocken aus dem Bochumer Gußstahlwerk ein. Diese größte der neuen Glocke hat die Inschriften "Die Lebenden rufe ich, die Toten beklage ich, Blitz und Donner breche ich" und "St. Silvester, unser Patron, stärke und in Treue". Die zweite Glocke zeigt "Die Schutzengel mögen uns erleuchten, leiten und beschützen", die dritte Glocke "Uns mit unseren Kindern segne Jungfrau Maria".

X

Dieser Text wird mit freundlicher Genehmigung von Elisabeth und Julius Lammersmann hier gezeigt. Das berechtigt aber nicht zu der Annahme, das dieser im Sinne des Urheberrechts als frei zu betrachten sei und daher von jedermann benutzt werden dürfe. Alle Rechte liegen weiterhin bei den Erben von Heinrich Lammersmann.