Die
merowingisch-fränkischen Gräber in Erle bei Dorsten aus dem 6. bis 8.
Jahrhundert nach Christus
von Hauptlehrer Heinrich Lammersmann 1927
X
Im Jahre 1890 und 91 baute der
Landwirt Herr Nienhaus-Krampe auf einem Sandhügel ein neues Wohnhaus mit
Stallung, Speicher und Schuppen. Dieser Sandhügel war bisher als Ackerland
benutzt und hieß „Kamp“. Der Sage nach soll in dem Kamp ein Topf mit Gold
vergraben sein. Der alte Hof mit seinen Gebäulichkeiten lag etwa 200 Meter
nach Westen auf einer feuchten, lehmigen Wiese. Der Name „Nienhaus“ oder
„Nienhueß“ kommt im Pfarrarchiv häufiger vor. Die Vorfahren treten auf
als Kirchenmeister und Provisoren der Armen. Schon 1626 findet zu Borken am
28. Oktober eine neue Festsetzung der Abgaben dieses Hofes an die Kirche zu
Erle statt. Unterschrieben ist der Vergleich von „Cathariana geb. von
Pallandt, Wittewe von Wilicht“ mit Siegelabdruck von „Michael Spannier
pastro Erlensis, Diderich Brant und Johan Snemann, Kirchenmeistere“. Herr
Nienhaus-Krampe hat ein Wappen aus Gußeisen vom alten Hause mit in die
südliche Giebelwand des neuen Wohnhauses einmauern lassen. Das Wappen hat
eine Rose im mittleren Felde.
Bei der Erdbewegung beim Neubau
sollen vielerlei Sachen zutage gekommen sein. Töpfe, Schwerter,
Lanzenspitzen, Messer, Beile und auch bunte Knicker. Leider erfuhr ich dies
einige Jahre später, die Fundstücke waren bereits verschwunden. Ich bat um
Mitteilung bei den nächsten Funden. Bereitwillig und freundlich versprach der
Vater des heutigen Hofbesitzers, mir sofort Nachricht zu geben.
Nachdem der neue Hofraum vom Kamp
fortgenommen war, blieb für den Pflug nicht viel mehr übrig. Man entschloß
sich, Gras darauf zu sähen und Obstbäume darauf zu pflanzen. Es war gegen
Schluß des vorherigen Jahrhunderts. Als man die Baumgruben aushob, fand man
ein Schwert, eine Lanzenspitze, ein dolchartiges Messer, einen Schildbuckel
mit zwei bronzenen Nieten und ein hartgebranntes grauschwarzes Grabgefäß.
Ich erzählte es dem damaligen Oberlehrer Schulz zu Dorsten, der die Sachen
sofort abholte und in das Museum zu Dorsten brachte. Ein Knecht hatte noch ein
rotes Grabgefäß mit Rädchenverzierung im Besitz. Gegen ein Trinkgeld gab er
es auch heraus, und auch dieses kam nach Dorsten. Woher diese Funde stammten,
war mir damals nicht klar. Bald darauf kam ich auf einer Reise nach dem
Manfeld und nach Mainz. In der Stadt besuchte ich das römisch-germanische
Museum, und hier erkannte ich mit der größten Gewißheit: in Erle ist „ein
merowingisch-fränkisches Gräberfeld“. Ich blieb mit Herrn Nienhaus-Krampe
in steter Verbindung und war entschlossen, bei dem nächsten Zufallsfunde, das
Grab ganz aufzudecken und den gesamten Inhalt nach seiner Lage im Grabe genau
festzustellen. Im Borwinter 1909 wurde ein Gefäß gefunden, und man gab mir
Nachricht. Das Gefäß war zum Glück ganz herausgehoben und ausgesprochen
merowingisch-fränkischer Herkunft. Der Hofbesitzer hatte meine schon früher
ausgesprochene Bitte, den Boden an der Fundstelle nicht mehr weiter
angegriffen. Wir beschlossen, die Stelle nun gemeinschaftlich auf weitere
Funde zu untersuchen. Dies geschah in den Pfingstferien 1910. Es wurde nun der
Mutterboden und die Rohschicht an der Fundstelle vorsichtig weggenommen. Als
wir auf gewachsenen Boden stießen, da zeigte sich ganz deutlich das Grab in
einer Länge von 2 Meter und Breite von 1 Meter. Die Lage war, wie ich
erwartet hatte, von Westen nach Osten. Nun wurde millimeterweise vorsichtig
das dunkler gefärbte Erdreich entfernt. Zunächst stieß ich am Westende auf
ein Bronzestück. Es war graviert und lag in der langen Achse des Grabes.
Links und rechts lagen kleinere Bronzestücke so, daß sie einen rechten
Winkel mit dem ersten Stück bildeten. Hinter diesen Bronzestücken waren
Ösen. Leder und Leinen waren noch erhalten und erkennbar. Nach der höheren
Lage, etwa 10-15 cm höher als die anderen Fundstücke, habe ich diese Stücke
als zu einem Stirnband gehörend angesehen, da das anhaftende Leinen von einem
Kopfschleier herrühren konnte. Weiter nach Westen lagen zwei Lanzenspitzen,
17cm lang und ungefähr 3 cm breit mit langen Tüllen in einer solchen Lage,
daß die verlängerten Spitzen einen rechten Winkel bildeten. Rechts von
den bezeichneten Fundstücken hatte das Grabgefäß gestanden und zwar an der
rechten Schulter der Leiche. Noch weiter nach derselben Seite lagen dicht
zusammen verschiedene Urnenscherben einer viel früheren Zeit. Von den
Bronzestücken 30cm nach Osten lag ein silbernes Kreuz. Es bestand aus zwei
gleich großen Hälften, die aus Silberblech ausgeschnitten aufeinander mit
Eisendraht befestigt waren. Die Rückseite ist glatt und die Vorderseite
zeigte unklare Preßlinien. In der Nähe des Kreuzes lagen 21 bunte Perlen.
Nach weiter nach Osten, etwa 20 cm vom Kreuze, lag eine kleine Riemenzunge und
ganz in der Nähe ein heller, fast durchsichtiger Kieselstein inmitten einer
weißen Metalllasche. Am Fußende des Grabes kamen wiederum eine Anzahl
Urnenscherben zu Tage. Am Kopfende lagen die Funde 80 cm und am Fußende 95 cm
unter der Oberfläche. An der rechten Seite – nach Süden – lag ein
Spinnwirtel. Die nächste Umgebung der Grabmulde zeigte nur unbewegtes
Erdreich und keine Funde.
Unter der Überschrift: „Fränkisch-merowingische
Funde“ übergab ich das Ergebnis meiner Ausgrabung der Öffentlichkeit,
hoffend, die Aufmerksamkeit der maßgebenden Stellen auf die historischen
Funde zu leiten und durch die Wissenschaft Aufklärung zu bekommen über den
Zusammenhang der Merowinger mit unserer Heimat. Durch die Polizeibehörde kam
bald eine Nachfrage über den Verbleib der Fundstücke. Bald darauf kam Dr.
Conrads, Borken, nahm die Fundstücke in Augenschein, machte Faustskizzen
davon und einen Lageplan von der Fundstelle. Nicht lange darauf erhielt ich
einen Brief vom Herrn Universitätsprofessor Dr. Röpp aus Münster. Er teilt
mit, daß die Altertumskommission zu Münster beschlossen hatte, weitere
Grabungen durch ihn mit einer geübten Mannschaft aus Haltern zu veranstalten.
Er bat um meine Unterstützung und einige Gefälligkeiten. Ich sagte meine
volle Unterstützung und Hilfsbereitschaft zu. Im September 1911 kam Herr
Professor Röpp mit seiner Mannschaft. Ich empfing den Herrn und zeigte die
Fundstelle und die genaue Lage des Grabes Nr. 1 auf dem ebenen, mit Gras
bewachsenen Hofraume. Der Hofbesitzer stellte uns den Boden zu jeder
Untersuchung vollständig zur Verfügung. Anfangs wollte Dr. Röpp Stichproben
machen, doch kamen wir bald zu einem Versuche mit einem Suchgraben von Norden
nach Süden. Im Laufe des Tages kam auch Dr. Conrads von Borken. Der Tag
verging ohne Erfolg. Gegen den Abend besah ich einen lagen Graben, der von
NN.-W. nach SS.-O. lief und das als Rübenmiete gedient hatte. Der senkrechte
Schnitt der Erdschichten war durch zurückfallende Erde arg verwischt. Ich bat
den Herrn Professor, diesen Schnitt durch glatten Abstrich wieder erkennbar
machen zu lassen. Mein Vorschlag wurde angenommen und hatte Erfolg. Schon nach
wenigen Stichen stieß man auf ein langes Schwert und auf ein reiches
ungestörtes Grab. Man arbeitete nun im vorgerückten Abend nach meiner
Ansicht viel zu schnell. Eine bronzene Zierscheibe, viele Perlen in allen
Farben und drei Grabgefäße kamen heraus. Am anderen Morgen in der Frühe
wurde die Arbeit fortgesetzt und Mittags fuhr der Herr Professor mit
sämtlichen Fundstücken aus dem 1. und 2. Grab nach Münster zurück. Dr.
Röpp wollte sie für das Museum in Münster erwerben. Herr Nienhaus-Krampe
aber wollte seine Eigentumsrechte nicht aufgeben. Schließlich kam man
überein, die Funde als Eigentum des Herrn Nienhaus-Krampe bis auf Widerruf im
Museum zu Münster gegen eine Bescheinigung zu deponieren. So geschah es denn
auch. Am folgenden Tage ging ich zu dem neuen Grabe und Herr Nienhaus-Krampe
zeigte mir noch ungefähr 20 Perlen, die er aus dem ausgewühlten Sande noch
aufgelesen hatte. Ich habe dieselben dem Herrn Röpp zugesandt, damit der
Inhalt des Grabes Nr. 2 vollständig zusammen blieb. Durch den Herrn Professor
Dr. Röpp kam ich in einen Briefwechsel mit dem Herrn Professor Rübel -
Dortmund, dem Erforscher der Frankenwege. Leider wurde der Verkehr durch den
Tod des Herrn Professor Rübel abgebrochen. Nach einiger Zeit kam Herr
Professor Dr. Röpp mit einem Herrn aus der Altertumsforschung und Dr. Conrads
wieder nach Erle. Es wurden dem Herrn die Fundstellen und Lage der Gräber Nr.
1 und 2 gezeigt und dann hörte ich nichts mehr. Wohl sandte der Herr Prof.
Dr. Röpp noch ab und zu einen Brief oder schickte gedruckte Vorlesungen über
Archäologie, auch sandte er dem Herrn Krampe und mir mehrere
Buntdruckblätter der Perlenkette, dann aber wurde es still. Herr Prof. Dr.
Röpp nahm eine Berufung nach Frankfurt am M. an, und nun schien Erle
vergessen.
Wenn Nienhaus-Krampe Sand
benötigte, so wurde von der Lehmwiese her die Sanddüne abgefahren. Gräben
für Rüben, Kalk und andere Zwecke wurden angelegt, wies auf einem Bauernhof
nicht anders sein kann. Ohne Zweifel ist manches zerstört worden, denn die
Arbeiter oder Knechte sahen doch nur die groben Eisenfunde. Ich bekam die
Mitteilung, daß man ein Schwert gefunden hätte, ging hin und fand einen
Skramasax, den der Knecht wieder in den Sand zurückgelegt hatte. Es war aber
keine Spur von Bronzen, Perlen oder anderen Sachen mehr zu sehen. Über die
Lage des Grabes blieb ich auch ganz im Unklaren. Den Skramasax habe ich an
mich genommen und so gut ich konnte konserviert. Auch bekam ich ein
Grabgefäß mit Rädchenverzierung in Stücken. Es fehlten soviel Stücke,
daß das Gefäß nicht wieder vollständig hergestellt werden konnte. Immerhin
läßt sich Größe und Form des Gefäßes aus dem Reste feststellen. Dr.
Conrads – Borken, kam im Jahre 1912 noch einigemale. Wir gruben nahe bei dem
Grabe Nr. 2 ohne Erfolg. Dann hörten die Grabungen ganz auf. Im Jahre 1924
wollte Herr Nienhaus-Krampe den neuen Hofraum abtragen, um das Dachwasser vom
Hause fortzubringen. Dadurch wäre nun das Kerngebiet zwischen den bisher
gefundenen Gräbern in Mitleidenschaft gezogen. Kollege Sagemüller war
bereit, zu helfen, den Hof zu untersuchen. Im Heimatbunde war der Gedanke an
ein Heimatmuseum gereift. Eine schöne Sammlung Steinbeile, Steinhämmer,
Pfeilspitzen und vorflutliche Gegenstände hatte ich in den letzten Jahren aus
der Heimat wieder zusammengebracht, dazu noch schöne Urnen und
Tränenkrüglein und Bronzen aus der sächsischen Siedelung; es war schon ein
schöner Grundstock für das Museum vorhanden, trotzdem schon viel in alle
möglichen Museen gewandert war. Herr Sagemüller und ich gingen in den
Herbstferien zu Herrn Nienhaus-Krampe und fragten, ob er es uns gestatten
wollte, auf seinem Hofe nach merowingischen Gräbern zu suchen, bevor er den
Boden wegnehmen wolle, und ob er die Funde dem Ortsmuseum restlos überlassen
wolle. Beides wurde uns zugesagt. Da war also nun ein Arbeitsfeld für uns
frei. Ganz an der Grenze der Lehmwiese zogen wir in Schweiße unseres
Angesichtes einen Suchgraben von Norden nach Süden. Den ersten Tag arbeiteten
wir ohne Erfolg.
Am zweiten Tag setzten wir den
Graben fort und stießen in der Nähe des Zaunes, der die Weide vom Hofe
trennt, auf ein Grab Nr. 3. Nur wenige Zentimeter von dem eingerammten
Zaunpfahl stießen wir auf ein doppelt konisches dunkles Grabgefäß. Es war
etwas nach der Leiche zu geneigt. Seine Höhe ist 12,50 cm. Der aufstehende
Rand umschließt eine Öffnung von 9 cm. Der Durchmesser im Knicks ist 13 cm
und die Standfläche hat 7 cm Durchmesser. Das Gefäß ist auf der Scheibe
gemacht und zeigt deutliche Drehringe. Dazwischen sind Rädchenverzierungen,
die von einem Rädchen herrühren, das mehrere Punkte nebeneinander zeichnete.
Das Gefäß ist dünnwandig (am Hals 2 mm dick) aus feinem Ton und hart
gebrannt. Seinen Platz hatte es an der rechten Seite des Fußendes. Nach
Westen lag etwas schräge über den Beinen ein kräftiges, einschneidiges
Stoßschwert, dessen Schneide 40 cm und dessen Griff 10 cm lang war. Das
Griffende war verbreitert und nach einer Seite wieder zurückgebogen,
wahrscheinlich um die Holzfassung des Griffes zu halten. Nebenbei fand ich
auch noch ein Stück von einem dolchartigen Messer. Weiter nach Westen lag
eine schlanke Lanzenspitze, die mit der Tülle eine Länge von 40 cm zeigte
und deren Blatt in der größten Ausdehnung 5-6 cm breit war. Vom Skelett fand
man keine Spur mehr. Leider sind die Gräber vielfach gestört. Seit
Jahrhunderten muß es auf diesem Hofe Gebrauch gewesen sein, die gefallenen
Tiere hier auf dem Kamp zu vergraben. Waren es große Tiere, so erreichten die
Gräben das Grab, die großen Fundstücke wurden wahrscheinlich herausgeworfen
und die kleineren mit der Erde gemengt, so daß man oft ein buntes
Durcheinander findet ohne jeden Anhalt und jede Schlußmöglichkeit. Eine
Menge Scherben zeigt das Grab in Hüftenhöhe an der rechten Seite. (Bild: Sax.)
Das 4. Grab hatte am Fußende
rechts wiederum ein niedriges, becherartiges Gefäß aus grauem grobkörnigen
Tone, hart gebrannt und auf der Scheibe geformt. Der Rand ist nach außen
gebogen und umschließt eine Öffnung mit einem Durchmesser von 10 cm. Der
Durchmesser im Knicks ist 13 cm und der der Standfläche 6 cm. In der Mitte
des Grabes lag ein Ring von Bronze, dessen Reif konisch gearbeitet war und
einen Durchmesser von 2 cm zeigte. In der Brustgegend lagen zerstreut 105
bunte Perlen in allerhand Farben und Formen. Darunter waren etwa 20 Glasperlen
von grünlicher bis dunkelblauer Farbe. Es waren darunter auch 2 Stücke
abgerundeter und rotgefärbter Bernsteine, die weite Durchbohrungen zeigten.
Die Perlen lagen wild durcheinander. Die Löcher waren weit und zeigten noch
einen braunen faserigen Inhalt, so daß man annehmen kann, ein Lederriemen
habe sie einst getragen. Die Glasperlen haben ihrer Größe entsprechend
kleinere Löcher. Sie können auch nicht zur Halskette gehört haben. Es ist
anzunehmen, daß sie als Schmuck auf das Gewand genäht waren. Am Kopfende des
Grabes fanden wir eine prächtige Rosette in der Größe eines
3-Mark-Stückes. Auf dem halben Radius war ein zweiter Kreis gezogen. Der
äußere Kreisring ist nun in 12 Felder eingeteilt. Eingefaßt ist das Ganze
von Silber. Die oberste Decke eines jeden Feldes ist sehr dünnes und feines
Glas. Darunter liegt leuchtendes Gold. Bei einiger Lichtwirkung kommt ein
wunderschönes Glühen heraus, wie man es beim Granat beobachten kann. Im
Zentrum ist ein weißes Knöpfchen, und 2 Dreiecke füllen einen Teil der
Vertiefung schnörkelartigen Filigranschmuck. Wie nennen diesen Schmuck
Kopfschmuck, weil er entschieden höher lag als die anderen Funde. In der
Nähe lagen auch viele von den oben genannten Glasperlen. Sicherlich gehören
zu ihm noch 14 Bernsteinbrocken, die alle rot gefärbt und so fein
durchgebohrt sind, daß nur ein Zwirnsfaden hindurch gezogen werden kann. Ich
denke mir den Kopfschmuck so, daß die Rosette auf dem Stirnband vor der
Stirn, die Bernsteinbrocken links und rechts in Abständen Platz fanden. Die
großen Bernsteinbrocken sind wohl in der Nähe der Rosette und die kleinsten
wohl im Haar geordnet gewesen; dazwischen konnten auch noch die Glasperlen
verwendet werden. Die Lage der Bernsteinbrocken und Glasperlen gibt uns
darüber hinaus keine absolute Gewißheit. Zur Halskette gehörten sie ganz
bestimmt nicht. Links und rechts neben den Schultern lag je ein Wirtel. An der
rechten Seite in der Gegend der Hüfte lagen die Scherben von germanischen
Gefäßen. Das Grab enthielt keinerlei Waffen und nicht mal ein Messer. Kein
Stückchen Eisen wurden zu Tage gefördert. Wir sprechen es darum auch als
Frauengrab an und glauben uns dazu berechtigt wegen des reichlichen Schmuckes
und der zwei Spinnwirtel. Es wurde gehoben am 5., 6. und 7. Nov. 1924. Die
Lage war geostet. Die Tiefe betrug am Fußende 90 cm, am Kopfende 80 cm.
Grab Nr. 5 war am Kopf- und
Fußende nicht nur gestört, sondern zerstört. Die untere Brust- und
Bauchgegend boten aber noch interessante Fundstücke. Etwa 30 Perlen von
mittlerer Größe, die Hälfte Glasperlen, kamen zum Vorscheine. Die Tonperlen
hatten aber nicht den Glanz wie im Grab Nr. 4. Sie schienen auch durch die
Verwesung eines Tierkörpers in ihrer unmittelbaren Nähe stärker angegriffen
zu sein. In der Lendengegend lag ein kräftiger Gürtelverschluß von Eisen.
Derselbe zeigte eine eigenartige Verschlingung der Eisenteile. Im Verschluß
hing in der Mitte an einem Eisendraht eine römische Kupfermünze. Auf der
einen Seite steht gut erkennbar ein Wolf und auf der anderen ein Kopf.
Letztere war nach vorne gekehrt und hatte so gelitten, daß das Bild nicht
mehr zu entziffern ist. Links und rechts von dieser Münze lagen noch zwei
Ziermünzen mit konzentrischen Kreisen im Eisenoxid festgehalten. Unter dem
Gürtelverschluß lag 10 cm weiter nach dem Fußende ein bronzener, verzierter
Ring, der mit einer spitzen Klaue in eine abgenutzte Öse eingreift. Der
Durchmesser beträgt 4 cm. Der Ring ist 4-5 mm breit. Aber Oberschenkel lag
ein 10 cm langes Messer ohne Griff. Darunter fanden wir eine bronzene
Lederzunge von 13 cm Länge. In der Gegend des Gürtels kamen noch 4 Stück
bronzene Nieten zum Vorscheine. Trotz des festen Gürtels wurden keine Waffen
und kein Grabgefäß gefunden. Man kann mit Bestimmtheit annehmen, daß diese
Stücke wie auch ein Teil der Perlen beim Eingraben der Tiere gefunden worden
sind und verloren blieben.
Grab Nr. 6 wurde gehoben am 27.,
28. und 29. November 1924 in Gegenwart vieler Herren und Damen des
Heimatbundes der Herrlichkeit Lembeck. Der Suchgraben führte uns am Ende in
das Grab. Wir stießen auf die Spitze des Schwertes. Wir arbeiteten nach Osten
um das Ende des Grabes zu finden und hoben 2 dolchartige Messer, das eine war
20 cm und das andere 15 cm lang. Es ist möglich, daß diese beiden Messer mit
der Bewegung der Erde dahin gekommen waren. Jedenfalls erwartet man am
Fußende keine Messer. Am Grabende lagen eine Anzahl dunkelgefärbter
Urnenscherben, die sehr schön gezeichnet sind mit Strichen und Stempeln. (Nünning
nennt diese Art „friesische“ Urnen.) Nach Westen schürfend wurde das
einschneidige Stoßschwert in seiner ganzen Länge von 40 cm freigelegt. Der
Griff war 10 cm. Die Breite betrug 5 cm. Während das Schwert an der Linken
lag, fanden wir rechts das obligate Messer in einer Länge von 12 cm. In der
Lendengegend lag ein starker Gürtelbeschlag, 7 cm breit und zusammen 30 cm
lang, mit dicken, runde, bronzenen Nietköpfen besetzt, aus Eisenblech. Ring
und Dorn zum Durchziehen bezw. Festhalten des Leders sind erhalten. Auf dem
rechten Oberarme lag eine breite, schwere Axt, deren Schneide 16 cm lang ist
und nach außen hin lag. Der schwere Kolben lag zu der Brust hin und ist mit
seinem Loche für den Stiel gut erhalten. Das Loch ist nach den Enden zu etwas
erweitert für den konischen Stiel und den einzutreibenden Keil. Letzteres
sollte das Abfliegen der Axt verhindern. Es scheint ein sehr stark gebogener
Stiel bei der Axt gebraucht zu sein. Von manchen Axtarten unserer jetzigen
Zeit, weicht die gehobene nur wenig ab. Der Zimmermann der Jetztzeit gebraucht
zum Behauen der Stämme zu Balken noch dasselbe Modell. Vom Kopfende des
Grabes erhielten wir noch eine Lanzenspitze von 24 cm Länge mit einem
großen, kreisrunden Bronzenagelkopf an der Tülle. Ein Grabgefäß war nicht
vorhanden. (Bild: Beile).
Das Grab Nr. 7 wurde am 18. April
1925 zufällig von dem Knechte des Herrn Nienhaus-Krampe gefunden bei der
Abfuhr von Sand. Sofort wurde ich benachrichtigt und eilte hin. Doch war die
Lage nicht genau mehr festzustellen. Es war eine recht derbe 48 cm lange
Lanzenspitze mit zwei bronzenen Ziernägeln, ein Axt mit 15 cm langer Schneide
und gut erhaltenen Kolben, eine Lederschnalle und ein dolchartiges Messerchen
von 13 cm Länge herausgekommen. Außerdem kamen noch 2 Gefäße von heller
Farbe zum Vorschein. Das größere hatte ein Höhe von 14 cm und einen
Durchmesser in der größten etwas runden Bauchung von 20 cm. Es war
eingedrückt gewesen, und alle Scherben konnten nicht wieder herbeigeschafft
werden. Es zeigte auf der oberen Hälfte der Bauchung eine ganze Anzahl
verschiedener Stempel, so daß die Verzierung fast wie Runenschrift anzusehen
ist. Neben diesem Gefäße stand ein kleineres, becherförmiges aus
grobkörnigem Tone von grauer Farbe. Es hatte nur eine Höhe von 7 cm und
einen Durchmesser im weitesten Bauche von 9 cm und in der Öffnung von 8,5 cm.
(Bild: Beile, Lanzenspitze.)
Das Grab Nr. 8 hatte zwei
Grabgefäße, die am Kopfende des Grabes standen. Beide waren dicht zusammen
so gestellt, daß die Öffnungen sich berührten. Sie sind doppelt konisch mit
geradem Rande aus dunkelgrauem Tone. Das größere Gefäß hat folgende Maße:
Höhe 15 cm, Öffnung 11 cm, Standfläche 7 cm. Oberhalb des Bauchknicks sind
Stempelverzierungen tief eingedrückt, so daß die Zwischenräume wulstig
erhöht erscheinen. Das zweite Grabgefäß hat eine Höhe von 14 cm. Die
Öffnung ist 9 cm weit. Der Durchmesser im Knicks ist 12 cm. Über dem Knicks
sind zwei runde erhabene Reifen als Zierrat angebracht. Rechts lag eine Axt
von 18 cm Länge 3 cm Breite. In der Mitte des Grabes lag ein eiserner Dorn
von 6 cm Länge und eine eiserne Lederschnalle mit Dorn, die eine Breite von 3
cm aufweist. In Gürtelhöhe an der linken Leichenseite lag ein Pfeil von
Eisen mit Widerhaken, dessen gesamte Länge 22 cm ausmacht. Am Fußende nach
Osten fanden wir einen Reitersporn. Bügel und Dornartige Spitze sind 13 cm
lang. Der Bügel allein hat eine Länge von 10cm. Die Öffnung, die den Fuß
des Reiters umfaßte, war 9 cm weit. Außerdem fanden sich noch
Feuersteinsplitter und Urnenscherben. Das Grab war arg zerstört und die
Waffen, die dort sicher vermutet werden konnten, sind beim Verscharren von
Tieren in einer früheren Zeit sicher verloren gegangen. (Bild: Sporn, Pfeil,
Dolch.)
Das Grab Nr. 9 war ebenso wie Nr.
8 sehr durchgewühlt. Das Grabgefäß hat die runde römische Form. Der Rand
ist nach außen umgebogen. Die Öffnung ist 9 cm, der Bauch 12 cm und die
Standfläche 9 cm im Durchmesser. Das Material ist hat gebrannt von weißlich
grauer Farbe. In der Mitte des Grabes nahe des Kopfendes lag eine rote
Tonperle. Um diese lagen noch zwei Schenkel eines Kreuzes, welche die Perle
umfaßten. Die Schenkel sind 2½ cm lang und von Silber. An den Ecken sind sie
abgerundet. Leider ließen sich die beiden fehlenden Schenkel nicht finden
Verzierungen zeigen diese Schenkel nicht. Unterhalb des Kreuzes lagen 3 Saxe
von 11 cm, 15 cm und 18 cm Länge. Am Fußende fanden sich Scherben. Darunter
eine große, die von einem becherartigen Gefäße herstammte und am Rande
durch tief eingedrückte Stempel in Kreuzform verziert ist. Diese Scherbe ist
nicht auf der Scheibe gewesen und hat eine graue Färbung und sehr glatte
Fläche.
Das Grab Nr. 10 wurde am 20. Mai
1925 gehoben. Es lag im Fahrweg. Infolgedessen war das Grabgefäß, aus
hellem, roten, feingeschlämmten Tone, am Fußende total in Scherben
zerdrückt. Doch konnte es wieder hergestellt werden. Es ist doppelt konisch
mit scharfem Knicks und übergebogenem Rande. Die obere Hälfte hat scharfe
Rädchenverzierungen. Die Durchmesser sind: Mündung 14 cm, Knicks 15 cm,
Standfläche 7 cm. Die Höhe ist 12 cm. Es ist also mehr becherförmig.
Germanische Scherben fanden sich reichlich. In der Lage der Oberschenkel lagen
links und rechts je ein Sax von 11 bezw. 12 cm Länge. In der Halsgegend
fanden sich 15 gleich große Perlen von Ton, Porzellan und Glas und drei
Bernsteinbröckchen mit feinen Löchern. Die Tonperlen waren sehr angegriffen
durch die Verwesung eines Tieres in unmittelbarer Nähe. Einige Nieten brachte
dieses Grab auch noch.
Eine Überraschung brachte uns das
Grab Nr. 11, das am 16. und 17. Mai 1925 gehoben wurde. Es zeigte starke
Eingriffe, namentlich am Kopfende. Es kamen noch nicht ganz verweste
Tierknochen zum Vorschein. In der Grabmulde in der Brusthöhe fanden wir zwei
Rosetten, wie im Grabe Nr. 4 bereits beschrieben. In Größe und Aufbau
gleichen beide der ersteren. Beide sind in Silber gefaßt und haben im
Gegensatze zur ersteren auf der Rückseite eine Art Sicherheitsnadel zu Ihrer
Befestigung auf dem Mantel oder dem Kleide. Während die Rosette im Grabe Nr.
4 in das Zentrum Vertiefungen mit Filigranarbeiten aufweißt, haben diese
beiden auf dem ganzen inneren Kreis solche Arbeiten in genau gleicher
Ausführung und keine Vertiefung. Die eine lag rechts und die andere links auf
der Brust in gleicher Höhe in einer Entfernung von 12 cm. Etwas mehr nach dem
Fußende lag eine walzenförmige 3 cm lange und 3 cm im Durchmesser haltende
wunderschöne wie Marmor gefärbte Perle. Um sie herum lagen noch 12 gleich
große Ton- und Porzellanperlen von verschiedenen Farben. Es ist möglich,
daß die außerordentlich große als Knopfperle benutzt worden ist, um irgend
ein Gewand zusammen zu halten. Die Überraschung wuchs noch mehr, als wir 15
cm nach Westen von den beiden Rosetten einen wirklichen Goldsolidus fanden. Er
ist wahrscheinlich einst der Leiche nach damaligen Brauch in den Mund gegeben.
Das Goldstückchen ist sehr dünn und hat einen Durchmesser von 1,5 cm. Auf
der einen Seite steht ein etwas roher Prägung ein Kopf und recht krause
Buchstaben stehen am Rande. Die andere Seite zeigt eine Siegesgöttin.
Münzkenner glauben, es sei ein nachgemachter Goldsolidus des oströmischen
Kaisers Anastasius, der 491 – 518 regierte. Da die Stempelschneider der
damaligen Zeit weder lesen noch schreiben konnten, so wurden die Stempel so
gut geschnitten, als es eben ging. Jedenfalls können wir mit Bestimmtheit
annehmen, daß die Kolonie in der Westrich nicht vor dieser Zeit bestanden
hat. In der Tat war es in dieser Hinsicht ein glücklicher Fund. Weiter nach
Westen war das Grab gestört und nichts mehr zu finden. In der Gürtelgegend
lag eine eiserne Gürtelschnalle und auf dem linken Oberschenkel ein Messer
von 16 cm Länge (Sax). Gegen das Fußende fand sich noch ein Eisenstück von
8 cm Länge, das nach dem einen Ende spitz zulief und eine runde konische Form
hatte. Grabgefäße wurden nicht gefunden, wohl aber die germanischen
Scherben. (Bild: Rosette.)
Das Grab Nr. 12 wurde am 25. Mai
gehoben. Es war ganz durchwühlt. Ein Schwert lag mit der Spitze nach Westen
und mit dem 12 cm langen Griff nach Osten. Die Schneide ist 30 cm lang.
Nebenbei lagen noch zwei Nieten und ein Messer von 15 cm Länge. Nach Osten
stand ein kräftiger Kirschbaum, darum konnte am Fußende das Grab nicht
gründlich untersucht werden. (Bild: Sax.)
Grab Nr. 13 ist von anderen
gefunden. Es hatte zwei große Grabgefäße, doppelt konisch mit etwas
übergebogenen Rändern. Die oberen Hälften hatten Rädchenverzierungen. Ein
drittes Grabgefäß hat die römische Form. Außer diesen wurde auch ein
einschneidiges Stoßschwert und ein Reitersporn gefunden. Scherben fehlten
auch hier nicht. Über die Lage kann nicht genau berichtet werden. Die
Fundstücke sind aber dem hiesigen Museum überlassen. Vielleicht handelt es
sich hier um zwei Gräber (Bild: Lanzenspitze.)
Das Grab Nr. 14 wurde am 27. Mai
gefunden. Am Fußende lagen reichlich Scherben. Eine Gruppe Scherben zeigten
Zusammengehörigkeit, und ich setzte sie wieder aneinander. Es kam dort ein
walzenförmiges Gefäß von 14 cm Höhe heraus. Bauch und Öffnung sind je 12
cm weit. Der Rand ist etwas übergebogen. Das Material ist grau und fest,
unten ist die Wandung 2 cm dick. Der untere Teil ist halbkugelig und ohne
Randfläche. Es scheint ein Kochtopf einer älteren Periode zu sein. Die
Drehscheibe ist nicht wahrnehmbar. Bestimmt ist dieses Gefäß als
zerschlagene Scherben in das Grab mitgegeben. Auf dem Oberschenkel lag
wieder das Messer. Gleich darüber fanden wir eine aus Eisen gebogene Gabel,
die oben an jeder Zinke eine Öse aufweist. Eine eiserne Lederschnalle mit
Dorn lag in der Mitte des Grabes, und an der rechten Schulter lag ein
Spinnwirtel, derb aus blasrotem Tone gearbeitet. Bei Brust und Hals fanden
sich 50 Perlen und 9 rote Bernsteinstücke. Die Perlen dieses Grabes zeigen
nicht die Buntheit, wie in den anderen Gräbern. Perlen und Bernstein scheinen
als Schmuck auf das Gewand genäht gewesen zu sein. Nahe beim Halse lagen noch
vier bronzene Stücke eine Fibula. Wir können auch dieses Grab als ein
Frauengrab ansprechen.
Das Grab Nr. 15 (1.7. und 2.7.)
lag unter einem Apfelbaum, so daß wir in der Arbeit außerordentlich
behindert waren. Es zeigte sich nun, daß es dasselbe Grab war, aus welchem
bei der Aushebung der Baumgrube der Schildbuckel mit zwei bronzenen Nieten,
das Schwert und das Grabgefäß gekommen waren. Wie fanden nun glücklich auch
die vier anderen Nieten des Schildbuckels, so daß es im ganzen sechs gewesen
sind und 8 Stücke Eisen, die als Schildbeschlag gedient hatten. Die
Lanzenspitze war über die Füße gelegt und zeigte mit der Schärfe nach
Osten. An der Tülle sind zwei bronzene Ziernägel. Die Lanzenspitze mit
Tülle ist 35 cm lang und 3 cm breit. An der rechten Schulterseite lag ein
zierliches Beil mit schmaler Schneide von 7 cm. Die gesamte Beillänge von der
Schneide zum Kolben ist 15 cm. Der Kolben mit dem Loche für den Stiel ist 3 x
3 cm. Es ist bis jetzt noch das einzige Grab eines Schildträgers, was wir
bisher gefunden haben; schade bleibt es, daß die Fundstelle auseinander
genommen sind. Die Scherben fehlten in diesem Grabe auch nicht. (Bild: Beil.)
In Nr. 16 hatten wir ein
ungestörtes Grab. Am Kopfende lagen die Fundstücke 0,90 Meter und am
Fußende 1 Meter tief. In der Halsgegend lag eine große Zahl recht lebhaft
bunter Perlen verschiedener Größen. Die Perlenfunde setzten sich durch die
Mitte des Grabes bis zu dem Fußende in einem Streifen von etwa 20 cm Breite
fort. Offenbar war das Kleid oder der Mantel mit Perlen besetzt. Diese wird
noch bestätigt durch die doppelte Durchlochung der Kügelchen. Teilweise
hatten sie nicht nur ein Loch durch die ganze Kugel, sondern waren von der
Seite noch bis zu dieser Hauptbohrung wieder durchlocht, um so die Lage der
Perle auf dem Gewande bestimmter festlegen zu können. Viele Perlen waren nur
in Stücken zu heben, das Material war wachsartig weich. Die Glasperlen sind
winzig klein. Die gesamte Zahl ist über 200. Unterhalb der Halsperlen lag ein
derber Eisenring von 4 cm Durchmesser. In der Lendengegend lag ein 15 cm
langes Messer und gleich daneben ein 12 cm langes Bronzestück mit Wolltuch
umwickelt. Das Tuch war durch das Kupferoxidul sehr gut konserviert und hart
geworden. Wir haben es mitsamt dem Bronzestück in Spiritus gestellt. Es lag
oben eine bronzene Fibel daran mit anklebender Leinwand. Bronzestück,
Wolltuch und Fibel bilden allem Anschein nach eine beutelähnliche Tasche die
auf Raum für das Messer bot. In derselben Höhe, aber mehr nach rechts,
fanden wir eine Bronzenadel mit einem plattrunden, hellgrünen Wachsknopf.
Rechts am Fußende standen oder lagen vielmehr zwei zierliche Gefäße. Das
größere ist aus roter Ziegelerde mit schönem Glanze. Die Wurzeln haben es
nicht angegriffen, es sieht wie neu aus. Seine Höhe ist 11 cm. Der Knick ist
sehr tief nur 3 cm über der Standfläche. Der Durchmesser der Standfläche
ist 4,5 cm. Die Öffnung ist nicht übergebogen und mißt 6 cm. Über dem
Knick ist das Gefäß mit Wellenlinien und scharfen Stempeln bis oben
verziert. Der Stempel ist quadratisch und zeigt Mittel- und Eckenlinien, die
sich im Mittelpunkt schneiden. Ein halbrundes erhabenes Reifchen teilt den
verzierten Teil des Gefäßes in zwei Teilen. Das Gefäß ist ein Tänzer,
d.h. es steht auf seiner Standfläche nicht ganz im Gleichgewicht. Das zweite
Gefäß stand gleich neben dem oben beschriebenen. Es ist aus grauem Ton und
becherartig flach gebaut. Es hat den Wurzeln nicht den Widerstand
entgegensetzen können wie das andere, darum zeigt es tiefe Narben und
ausgedehnte Angriffsstellen. Seine Höhe ist 6 cm. Im Knick hat es einen
Durchmesser von 11 cm, und die Öffnung ist 10 cm weit. Es ist doppelt
konisch. Die obere Hälfte hat dieselbe Stempelverzierung wie das rote
Gefäß. Doch sind die Verzierungen arg angefressen und es fehlt die
Deutlichkeit. (Bild: Grabgefäß).
Im Grab Nr. 17 war das Fußende
zerstört. In Brusthöhe lagen 60 Perlen. Die stärkste hat einen Durchmesser
von 2 cm. Nach vier Seiten sind halbkugelförmige Augen aufgesetzt. Die
glasierten Porzellan-Perlen zeigen recht lebhafte Muster. Sämtliche Perlen
haben wohl zu der Halskette gehört. An der linken Brustseite lagen 2 Wirtel
von Ton. Gegenüber an der rechten Seite lag eine eiserne Lederschnalle von 5
cm Breite und eine Anzahl größerer Urnenscherben. In der Mitte des Grabes
fanden sich eiserne Nieten. Darunter lag ein bronzener Fingerring von 2 cm
Durchmesser. In der Lage des linken Oberschenkels erschien ein eiserner Ring
und darunter ein bronzener mit drei hakenförmigen Schlüsseln. Das
Grabgefäß von grauem Ton ist doppelt konisch und becherförmig. Die Höhe 10
cm, die Öffnung 10 cm und der Durchmesser im Knick 12 cm. Die Standfläche
ist 6 cm im Durchmesser. Es hat Stempelverzierungen, die stark angegriffen
sind. Im Grabe fanden sich 4 Feuersteinspitzen ohne ersichtliche
Korrekturarbeit. Ein anderes Grab 17 a war so zerstört, daß wir nur 11
Perlen, eine Lederschnalle von Eisen und eine sehr schön bearbeitete
Pfeilspitze von Feuerstein mit Widerhaken fanden.
Von hoher Bedeutung ist wieder das
Grab Nr. 18 (2., 3., 4. Sept.) In der oberen Schicht war es nicht mehr
unberührt. Eine große Zahl Eisenstückchen lagen zerstreut über die ganze
Muldenfläche. Es sind zertrümmerte Schlüssel. In der Lendenhöhe lag ein
Streifen Bronzebeschlag mit ungefähr 20 Nieten. In der Mitte war eine
Lederzunge aus Bronze 7 cm lang. Die Lage zog sich von der rechten Hüfte zum
linken Oberschenkel. Über der Mitte lag einige Zentimeter nach der Brust zu
eine Lederschnalle. Etwa 10 cm weiter nach Westen fand sich eine Goldmünze
aus dem 7. Jahrhundert. Die eine Seite trägt ein Kopfbild, die andere ein
Kreuz. Der Rand ist scharf beschnitten, so daß die Schrift teilweise
angegriffen ist. Von der Goldmünze weiter nach Westen lag ein mit tiefen
Linien schön graviertes Bronzestück (ähnlich wie Grab Nr. 1). Davon nach
Norden fand sich eine zweite Lederzunge aus Bronze. Anschließend zeigten sich
noch weiter nach Westen 30 Perlen in zerstreuter Lage, ein Messer und ein
Spinnwirtel. Ziemlich weit von den letzten Funden kamen wir auf ein
interessantes Grabgefäß. Es lag vollständig auf einer Seite mit der
Öffnung nach Grabmitte und war eingedrückt. Als wir das Gefäß hoben und
die anklebende überflüssige Erde von der Öffnung entfernten, stießen wir
zu unserer Freude auf den Rand eines Glasgefäßes, das in der Mitte des
Tongefäßes eingestellt war. Leider zeigt uns der Rand schon, daß mit dem
Tongefäß auch das Glas zu Bruch gegangen war. Wir ließen beide Gefäße in
ihrer Packung, um zu Hause auf einem Tische die Scherben sorgfältig zu
sammeln. Das war nun nicht zu schwer. Die Scherben des Tongefäßes wurden von
einer Seite behutsam entfernt, und nun hatten wir das Glas in dem Erdklumpen
vor uns. Das Glas war nach der einen Seite eingedrückt und so gebrochen, daß
es teilweise wie zu Mehl gerieben war, namentlich in der Mitte an der
Bauchstelle. Das Fußende und der obere Teil waren weniger zersplittert.
Immerhin war die Möglichkeit da, es wieder zusammen zu setzen. Dies ist von
fachkundiger Hand gut gelungen. Das Glas ist von goldig gelbem Farbtone. Der
feste Fuß ist nur 3 cm im Durchmesser, während das ganze Glas 15,5 cm hoch
ist. Die kleine Standfläche des kreisrunden Fußes wird aber durch drei
Weinblattstiele vergrößert, die über die Peripherie den Boden berühren und
die Standfestigkeit bedeutend erhöhen. Diese drei Weinblattstiele legen sich
fest auf Fuß und Hals, um unten drei Weinblätter zu entfalten. Aus diesen
drei Weinblättern erhebt sich nun in gerader Linie das Glas bis zu einer
Rundung von 7 cm Durchmesser. Das Glas ist ungemein dünn, kaum 1 mm. Die
Blattverzierung erhebt sich bis 8 cm hoch. Die Mittelrippe der drei Blätter
ist kräftig und bildet im Innern des Glases je eine Röhre. Um das Glas
liegen runde Reifchen in verschiedenen Abständen. Diese Reifchen erscheinen
auch dort, wo die Blätter Zwischenräume frei lassen. Dieses herrliche Glas
stand genau in der Mitte eines Grabgefäßes von hellem grauen Tone. Das
Material ist sehr feinkörnig und gut gebrannt. Doppelt konisch ist der Knicks
in der Mitte. Die obere Hälfte hat Stempelverzierungen in zwei verschiedenen
Formen, die in und außer den Reihen wechseln. Der obere Rand biegt nur wenig
um und hat einen Durchmesser von 13 cm. Dort wo er auf den konischen Teil
aufsteht, hat er einen rundlichen Reif. Im Knick ist der Durchmesser 16 cm und
in der Standfläche 8 cm. Die Höhe des Grabgefäßes ist vollständig wieder
zusammengesetzt. Das Hineinstellen des Glases in das Grabgefäß scheint mit
die Ansicht zu begründen, daß man die Grabgefäße nicht mit Opfergaben
beschickte, sondern sie leer mit ins Grab stellte um anzudeuten, daß ein
Totenmahl gehalten wurde, oder daß man den Toten hat ehren wollen. (Bild:
Glasgefäß und Glas.)
Das letzte Grab des Jahres 1925
Nr. 19 ist auch das wohl reichste an Bronzen. Es war nach Norden und am
Fußende gestört. Die Mitte war noch ziemlich unberührt. In der Lendengegend
der rechten Hüfte fand sich ein schlankes Grabgefäß von 13 cm Höhe auf der
Seite liegend. Die Standfläche hatte einen Durchmesser von 5 cm, und im
tiefliegenden Knick war es 10 cm weit. Der Rand war nicht umgebogen und hatte
einen Durchmesser von 6 cm. Zwischen Knick und Öffnung teilen zwei erhabene
Reifchen das Feld in 3 Teile. Die beiden unteren Felder sind durch
Punktstempel geziert. Der Ton ist glänzend schwarz. Vom Grabgefäße nach der
Mitte des Grabes lagen etwa 20 Perlen zerstreut von verschiedener Farbe und
Form. Nach Westen hin lag eine Lanzenspitze von 24 cm Länge mit der Tülle
und 3 cm Breite. An der Tülle sind zwei Ziernägel. Von den Perlen nach dem
Fußende zu lagen 6 Stück bronzene Fibeln und Lederbeschlag. An diesen
hafteten noch Gewebe und Leder. Die Gewebe sind gut konserviert und zeigen
noch die Webart und Wollfäden deutlich. Die Bronzen waren versilbert. Es
handelt sich hier wahrscheinlich um den Lendengürtel. Noch weiter nach dem
Fußende lag in schräger Lage das 18 cm lange Messer. Dies hat sich
wahrscheinlich in einer taschenartigen Hülle befunden. 4 Stück Fibeln lagen
quer über dem Messer. In der Mitte des Messers lag schräge eine schön
geschweifte 10 cm lange Lederzunge, die Spuren einer Versilberung trug. Die
Ränder der Lederzunge waren schräg abgefeilt und dann versilbert. Ein Stück
Bronze lag unterhalb dieser Gruppe und ein ferneres noch tiefer nach den
Füßen hin. Dieses Grab enthielt außer dem Messer keine Eisenteile. In der
gestörten Fußgegend fanden sich Urnenscherben und Feuersteinsplitter. (Bild:
Speerspitze, Dolch.)
Das Grab Nr. 20 war arg zerstört,
so daß die ursprüngliche Lage der einzelnen Fundstücke nicht mehr zu
bestimmen war. Zerstreut lagen 10 schönen Perlen, ein 15 cm langes
Dolchmesser, eine Lederschnalle mit Dorn und eine schöne bronzene Zierplatte.
Urnenscherben und Feuersteinsplitter fanden sich auch. Ein Spinnwirtel
bezeichnet es als Frauengrab.
Grab Nr. 21. Unberührter als
dieses, haben wir selten ein Grab gefunden. Ein langes, zweischneidiges
Schwert (Spatha) und eine Lanzenspitze lagen zusammen. Das Schwert hatte mit
Dorn (8 cm), bronzenem Knauf und Griff (8 cm) und Klinge (72 cm), eine gesamte
Länge von 98 cm. Die Lanzenspitze lag nach Süden daneben und etwas mehr nach
Westen. Sie ist mit der offenen Tülle 40 cm lang, und das Blatt hat eine
Breite von 5 cm und eine stark ausgeprägte Rippe. Auf dem Schwerte ich Höhe
des Oberschenkels lag ein starker eiserner Schildbuckel, der noch Zeichen des
Kampfes aufweist. Der eiserne Griff des Schildes ist vom Rost stark
mitgenommen, aber doch noch in erkennbaren Stücken vorhanden. Eine eiserne
Pfeilspitze mit Tülle klebte am des Spatha. Ihre Gesamtlänge ist 10 cm bei
einer Blattbreite von 2 cm. Zwei silberne viereckige Knöpfe 1.5 cm x 1.5 cm
und ein runder Bronzeknopf sind wahrscheinlich Schmuckstücke der Scheide des
Spatha gewesen. Der Bronzeschmuck des Lederzeuges ist außerordentlich schön,
wie in die Abbildung in natürlicher Größe zeigen. Er fand sich unter dem
Schildbuckel. Dortselbst lag auch das Messer von 20 cm Länge. Große
Lederstücke sind unter der Bronze erhalten. An der nördlichen Seite fanden
wir ein goldiges merowingisches Glas mit rundem Bogen ohne Fuß. Das Glas lag
natürlich in Scherben. Zu Füßen stand das Grabgefäß, doppeltkonisch mit
einer Öffnung von 16 cm. Der Rand ist sanft umgebogen. Der obere Teil des
Gefäßes hat scharfe Rädchenverzierungen. Die Standfläche hat einen
Durchmesser von 8 cm. Urnenscherben lieferte auch dieses Grab,
Feuersteinsplitter kamen hier nicht zu Tage. (Bild: Lanzenspitze [Wirbler].)
Grab Nr. 22 war arg gestört. Ein
Spinnwirtel zeichnet es als ein Frauengrab mit noch 30 bunten Perlen. Eine
runde, bronzene Zierscheibe mit konzentrischen Kreisen und 1,5 cm Durchmesser
saß an einer 4 cm langen Nadel. Eine zweite solche Scheibe lag am Ende der
Nadel. Sechs bronzene Ringe lagen übereinander wie aufgezähltes Geld. Das
Messer war 15 cm lang. Auch fand sich ein Stück eines eisernen Ringes von 6
cm Durchmesser. Das Grabgefäß und andere Ausstattungsstücke waren verloren.
Durch die bisher aufgedeckten
Gräber zieht sich etwas Gemeinschaftliches hindurch, wenn gleich ihr Inhalt
sehr verschieden war nach Geschlecht, Waffengattung und Reichtum. Zunächst
waren alle Gräber geostet, d.h. die Beerdigung hatte so stattgefunden, daß
die Leichen mit dem Gesicht dem Osten zugewandt waren; der Kopf lag nach
Westen und die Füße nach Osten. Aus dem Osten, dem Orient, schienen sie beim
Erwachen ihr Heil zu erwarten. Es läßt uns diese Lage schon die christliche
Religion vermuten, denn das Heil der Christen, der Erlöser, ist für uns
Abendländer aus dem Osten gekommen. Auf einem christlichen Friedhof wird auch
heute noch der Gebrauch geübt, die Leichen so zu beerdigen, daß sie mit dem
Gesichte zum großen Friedhofskreuze gewandt ruhen. Die Vermutung, daß wir es
hier mit christlichen Gräbern zu tun haben, wird noch verstärkt durch die
Tatsache, daß wir im Grabe Nr. 1 und im Grabe Nr. 9 je ein silbernes
Brustkreuz fanden. Außerdem kommt die Kreuzform bei Schmuckstücken von
Bronze recht oft vor, ohne daß sie uns zu dem obigen Schlusse berechtigt.
Jedes Grab hat ein Grabgefäß,
öfter finden sich zwei, mitunter sogar drei. Die Grabgefäße haben nun sehr
verschiedene Formen, von dem doppelt konischen fränkischen bis zu dem runden
römischen Gefäße; durchschnittlich stehen alle zu der Leiche hin auf die
Seite geneigt und sind gefüllt mit Erde oder bei uns nur mit Sand ohne jede
Zugabe. Man bemerkt keine Spur von etwaigen Gaben an Genußmitteln. Sehr viele
Gefäße tragen Verzierungen. Es tritt die Rädchenverzierung und die
Stempelverzierung einzeln und in geschmackvoller Zusammensetzung auf.
Sämtliche Gefäße sind auf der Drehscheibe hergestellt und hart gebrannt.
Das Material ist verschieden in Farbe und Feinheit. Einige kann man als rote
und schwarze Ziegelerde ansprechen. Es wird vielfach angenommen, daß die
Grabgefäße beim Totenmahle gebraucht und dann dem Toten mit ins Grab gegeben
wurden. Sie wurden an die Schulter, an die Lenden oder auch an die Füße,
meistens aber zur rechten Seite gestellt. Sämtliche Gräber zeigen in der
Gegend des linken Oberschenkels ein kürzeres, dolchartiges Messer (Sax). Es
fehlt auch nicht in Frauengräbern, die sonst waffenlos sind. Diese Waffe hing
an meistens mit Bronzen verzierten Lederriemen und war vermutlich auch oft mit
einer Tasche vereinigt.
Obwohl die Leichen nicht verbrannt
wurden, finden sich in allen Gräbern viele Kohlestücke in allen möglichen
Größen bis zur Größe einer Nuß. Sie sind im ganzen Grabe zerstreut.
Ebenso zeigten die Gräber Urnenscherben in großen Mengen zerstreut und auch
in kleinen Kaufen in der Nähe der Schulter und zu Füßen. Es sind
Urnenscherben einer viel älteren Zeit und germanischen Ursprungs. Im Grabe
Nr. 14 lag ein Haufen solcher Scherben, die zueinander gehörten, so daß ich
daraus ein walzenförmiges germanisches Gefäß zusammensetzen konnte, das aus
einer viel älteren Periode zu stammen scheint und ohne Drehscheibe gemacht
wurde. Einige Urnenscherben sind schön gestrichelt und gestempelt und lassen
immerhin Rückschlüsse auf die Bauart und Größe der ursprünglichen
Gefäße zu. Was bedeuten nun diese Scherben? Woher kommen sie? Es ist nicht
unmöglich, daß die Sanddüne vor den Merowingern von den Sachsen schon als
Begräbnisplatz benutzt worden ist, und daß man die Urnenreste und Kohlen aus
Pietät wieder zusammengelesen und dem neuen Grabe wieder einverleibt hat.
Doch scheint mir dies nicht ganz sicher zu sein. Man müßte dann mit dem
Suchgraben auch noch auf altsächsische Urnen stoßen, zumal die
merowingischen Gräber nicht so dicht liegen. Das ist bisher niemals
geschehen. Denkbar ist es auch, daß nicht nur die Gefäße des Totenmals mit
ins Grab gekommen sind, sondern auch die Asche und Kohlereste. In den
Grabmulden zeigen sich deutliche Spuren von Asche.
Sämtliche Gräber lassen sich in
zwei Gruppen teilen: in Männer- und Frauengräber. Die Frauengräber sind uns
ziemlich sicher angedeutet durch die gefundenen Spinnwirtel. Es sind demnach
Frauengräber Nr. 1, 4, 9, 11, 14, 17, 18, 20, 22. Abgesehen von dem allgemein
gefundenen Messer (dem Sax) sind diese auch waffenlos. Der Schmuck ist im
allgemeinen den Frauengräbern mehr eigen als den Männergräbern. Doch haben
letztere oft auch reichlich Perlen als Halsketten und Kleiderbesatz.
Männergräber sind demnach Nr. 2, 3, 5, 6, 7, 8, 10, 12, 13, 15, 16, 19, 21.
Wenngleich in einigen gestörten Männergräbern die Waffen nicht mehr zu
finden waren, so zeigen doch der starke derbe Gürtelverschluß, daß
sie einst dagewesen um im Laufe der Zeit verloren gegangen sind.
Wurden hier in der Westrich
Männer und Frauen in Reihen mit ihrem ganzen Waffen-, Kleider- und
Perlenschmuck begraben, so mußten diese Menschen auch in der Nähe gelebt und
gewohnt haben, es mußte eine Kolonie bestanden haben; es ist doch nicht
anzunehmen, daß man die Toten weit in die Wildnis hineintrug, man hielt sie
doch sicher in seiner Nähe und Obhut. Sächsische Brukterer waren es nicht,
die kannten und besaßen solche Schmuckstücke nicht. Heidnisch war die
Bestattung auch nicht, denn die Heiden verbrannten ihre Toten und vergruben
ihre Urnen in Grabhügel wie in der Östrich. (Siehe Kalender der Herrlichkeit
Lembeck 1926). Christlich scheint das Volk gewesen zu sein, weil es seine
Toten begrub, ohne die Leichen verbrannt zu haben, weil es den Toten die
geostete Lage gab und das Christenzeichen – das Kreuz – in Silber auf der
Brust beigab. Die Kostbarkeit des Schmuckes wird es uns verständlich
erscheinen lassen, daß wir dieses Zeichen nur in zwei Gräbern von 19
Grabstellen fanden. Die gefundenen Goldmünzen bringen uns noch näherer
Nachrichten. Der nachgemachte Goldsolidus des oströmischen Kaisers Anastasius
I (491-518) kann vor dieser Zeit nicht gewesen sein. Vor dem 6. Jahrhundert
haben wir also diese Gräber nicht zu datieren. Die zweite Goldmünze ist eine
fränkische aus dem 7. Jahrhundert. Sie trägt auch ein Kreuz, das
Christenzeichen. Wir werden nach diesen Münzfunden wohl nicht fehlgehen, wenn
wir die als die Zeit dieser Beerdigungen und der Kolonie in der Westrich die
letzte Hälfte des 6. und das 7., vielleicht auch noch das 8. Jahrhundert
annehmen – etwa 550 bis auf Karl den Großen und noch länger. Es ist auch
nicht ausgeschlossen, daß christlich gewordenen Bruckterer darunter waren,
die mit dem Waffendienst auch die christliche Religion angenommen hatten. Die
Ausstattung der Toten ist aber in der Hauptsache merowingisch. Über das
Geschichtliche der merowingischen Gräber wird der Heimatkalender im nächsten
Jahre berichten.
Eine schwere, langdauernde Arbeit
war es, die geleistet worden ist, um den Inhalt der Gräber in Sicherheit zu
bringen. Dank allen, die uns hilfreiche Hand geboten haben. Ein ganz
besonderer Dank aber gebührt der Familie Nienhaus-Krampe, die uns so
freundlich das Gelände zur Verfügung stellte und die Arbeiten in jeder Weise
unterstützte und förderte. Wir fühlten uns dort in unmittelbarer Nähe des
Wohnhauses recht heimisch und den Alltagssorgen entrückt; und wenn der
Schweiß in der Sonnenglut rann, dann brachte die vielbeschäftigte Hoffrau
und sorgsame Mutter uns Erquickung und Stärkung! Ein herzliches „Gott
vergelts!“
X