In den alten Zeiten, als es noch keine modernen Herde und Waffeleisen gab, wurden Waffeln ("Kuchen") noch mit riesigen, handgeschmiedeten Waffeleisen/Kucheneisen über dem offenen Feuer gebacken. Hauptlehrer Heinrich Lammersmann schreibt über diese Tätigkeit in seinem Aufsatz "Neujahrskucher" von 1929:

"[...] Nicht umsonst heißen die drei großen Feiertage „Kuchentage“. Während in der Stube die Karten geworfen werden, ist die Hausfrau wieder vor dem brennenden Herdfeuer beschäftigt. Sie hat von der Hille das uralte Kucheneisen geholt. Ein kunstverständiger Schmiedemeister hat es vor vielen, vielen Jahren gemacht, und seitdem haben Mutter, Groß- und Urgroßmutter es zu Neujahr stets in Gebrauch genommen. Es ist wie eine Zange und aus Schmiedeeisen hergestellt. Zangenartig dreht es sich um eine Achse. Zwei etwa 80 Zentimeter lange Schenkel dienen der Handhabung. Entfernt man die Schenkel voneinander bis zu einem rechten Winkel, dann sind jenseits der Achse die beiden kreisrunden Halbformen der Kuchen auch in einen rechten Winkel zueinander gestellt. Die Innenseiten dieser Halbformen sind vielfach mit viel Fleiß und Kunstfertigkeit geschmückt. Stets ist nur eine die Hauptträgerin, während die andere verschnörkelte Blumen und Linien trägt, die zusammen ein Kreuz darstellen. Als Hauptdarstellung findet man wohl die hinter einem Berge aufgehende und strahlende Sonne von vielen Sternchen umgeben. Das Einhorn und das Lamm Gottes sind auch häufig. Auch findet man den Fisch abgebildet. Der Adler fehlt auch nicht. Zwischen den Doppellinien am Rande stehen in Spiegelschrift der Name des einstigen Hofbesitzers und die Jahreszahl. Was in die Halbformen hineingestanzt wurde, erscheint auf dem Kuchen natürlich in erhabener Darstellung. Um nun der Hausfrau das krampfhafte Zusammenpressen der langen Schenkel zu ersparen, hat mancher kluge Meister am Ende des einen Schenkels Zähne ausgeschlagen und gefeilt und am anderen Schenkel ein Ring angebracht, der hinter eine zusagende Backe gedrückt werden kann und das Eisen zusammen und geschlossen hält. Jedenfalls hat fast jedes Kucheneisen seine Absonderlichkeit und ist ein achtungswertes Familienerbstück. Wie viel Feste hat ein solches Erbstück schon wohl mitgefeiert? Wenn dieses Stück hervorgeholt wurde, war eitel Freude und Frohsinn unter den dicken eichenen Balken daheim. So ist es ja auch heute am Neujahrsabend. Auf einem Fußbänkchen steht die Schüssel mit dem Kuchenteig. Sorgfältig ist er aus Weizenmehl, aber auch wohl aus Buchweizenmehl mit Milch dickflüssig angerührt. Die gelbe Farbe verrät die Eier. Ein hölzerner Löffel steht zum Griffe bereit. In der Nähe steht die weidene Pfannkuchenschüssel zur Aufnahme der fertigen, knusperigen Küchlein. Allein kann die Hausmutter mit dieser Schnellbäckerei nicht fertig werden, darum sind einige Mädchen zur Hand. Zunächst wird der eine lange Schenkel der Kuchenform auf dem Herd gestellt und die beiden Formhälften sorgfältig gereinigt. Dann legt man ein ordentliches Stück Butter darauf und klappt die Form zusammen und hält sie so in das Feuer, daß sie sich langsam erhitzt und die Butter drinnen zerfließt und alle Linien, Striche und Figuren einfettet. Damit jede Seite gleichmäßig gefettet werde, dreht man die Form im Feuer. Ist sie genügend heiß, dann wird die Form aufgeklappt, und mit dem Holzlöffel legt man auf die Mitte den Kuchenteig, der zischend aufgenommen wird. Langsam klappt die Form wieder zusammen und drückt den Teig über die gesamte Kreisfläche, so daß er an dem Rande sichtbar wird. Nun hält man das Eisen nahe über die Glut der Holzscheite, immer wendend, so daß beide Seiten gleichmäßig schön braun werden. Eine kurze Zeit genügt, um ein so dünnen Gebäck zu backen. Schnell zieht man das Kucheneisen zurück, faßt mit einem Messer oder einer Gabel den Rand des Kuchens und rollt ihn auf die bereit stehende Weidenschüssel. Sofort empfängt die heiße Form eine neue Einfettung mit Butter oder Specke und einen neuen Teig, und schon ist der zweite Neujahrskuchen im Feuer bald fertig und auf der Schüssel. Oefter lecken die Bäckerinnen ihre Finger, einmal wenn sie beim Einfetten der Form, dem heißen Eisen zu nahe gekommen sind und das andermal, wenn beim Abziehen des neugebackenen Kuchens die Form den Kuchen so festhält, daß letzterer zerreißt und gleich verzehrt wird. Jedenfalls ist das Backen der Neujahrskuchen leichter als das Backen des Wurstpfannkuchens. Nach und nach füllen sich die Weidenschüsseln hoch auf und die Teigschüssel leert sich. Nun hat das Eisen vorerst seine Aufgaben erledigt und wird wieder an seinen sicheren Aufbewahrungsort gebracht, wo es neu gefettet der nächsten Festlichkeit entgegenharrt. [...]"

Den ganzen Aufsatz können Sie hier lesen.

 

Quelle: Archiv Walter Biermann, mit freundlicher Genehmigung

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Besitzer: Joh. Böckenhoff (Anno 1828)
Quelle: Archiv Walter Biermann, mit freundlicher Genehmigung

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Besitzer: Joh. Böckenhoff (Anno 1828)
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Besitzer: Johann Geradus Bockmann (Anno 1773)
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Besitzer: Joh. Grunewald (Anno 1861)
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Besitzer: Joh. Grunewald (Anno 1861)
Quelle: Archiv Walter Biermann, mit freundlicher Genehmigung

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Besitzer: Hörnemann (Anno 1710)
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Besitzer: Hörnemann (Anno 1710)
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Besitzer: Heinrich Kuhlmann (Telm) (Anno 1773)
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Besitzer: Lammersmann
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Besitzer: Joh. Punsmann
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Besitzer: Alois Schwane
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Besitzer: Heinz Sondermann (Anno 1739)
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