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Klicken Sie hier, um eine interaktive Karte/Luftbild zu startenDirekt neben der Femeiche steht das "Alte Pastorat".  Das Gebäude ist das älteste Haus in Erle, das äußerlich weitgehend noch dem Originalzustand entspricht. Auf der Nordseite sind Maueranker in Form der Jahreszahl 1790 angebracht. Lange Zeit hat es den Erler Pfarrern als Wirtschaftshof und Wohnstätte gedient, nach dem zweiten Weltkrieg wurde daraus langsam das Pfarr- und Jugendheim und damit die Heimat für fast alle kirchlichen Vereine und auch der damaligen katholischen öffentlichen Bücherei. Mit der Fertigstellung des Neuen Pastorats zogen der Pastor und das Pfarrbüro aus dem Alten Pastorat aus. Ende des Jahres 2014 wurde das Gebäude dann von der Raesfelder Kirchengemeinde an Privatpersonen verkauft. Damit ist die Zukunft über die Erhaltung des historischen äußerlichen Zustandes des ältesten Hauses in Erle wieder ungewiss. 

 

 

Das Alte Pastorat, Süd-Westseite 2018

Das Alte Pastorat an der Femeiche - Ansicht Süd-West-Seite im Jahre 2018
Foto: 
Reinhard G. Nießing, mit freundlicher Genehmigung


Vermutlich hat an der heutigen Stelle des Alten Pastorats schon mindestens ein Vorgängerbau, der alte Pfarrhof gestanden. Damals waren die Pfarrer einer kleinen Dorfgemeinde auch gleichzeitig Hofbesitzer und die am Ort ansässigen Bauern hatten die Verpflichtung, die Felder und Äcker des Pfarrers mit zu bewirtschaften und die Erträge wurde im Pfarrhof dann gelagert. Das sich bereits um 1750 bei der Erler Femeiche ein Pfarrhof befunden haben müsste, darauf  lässt die Erzählung des Bauern Joseph Tellmann deuten, die Pfarrer Anton Nonhoff von dessen Neffen Heinrich Tellmann erfahren hat [5]. Joseph  wohnte als kleines Kind ca. um 1750 beim damaligen Pfarrer Cuman und musste die Enteneier, die des Pfarrers Enten immer in die hohle Femeiche zu legen pflegten aus eben dieser herausholen [5]. Leider sind diese Aufzeichnungen aus der Chronik von Pfarrer Nonhoff die einzigen schriftlichen Hinweis über einen Pfarrhof als Vorgänger unseres heutigen Alten Pastorats.

 

Die "Grüne Lunge" von Erle

Das Alte Pastorat an der Femeiche - Luftbild aus 2014
Foto: 
Reinhard G. Nießing, mit freundlicher Genehmigung

 

Ein wenig mehr Wissen über die Entstehung und die Nutzung das heutigen Alte Pastorats ist unter anderem dank der Chronik von Pfarrer Nonhoff erhalten geblieben.  1790 entstand nach dem Entwurf des Velener Baumeisters Tinnewald [1] und unter der Bauherrschaft von Pfarrer Joseph Anton de Weldige genannt Cremer ein einstöckiges Backsteingebäude mit Satteldach. Wie in Erle üblich wurden die dafür notwendigen rund 80.000 Ziegel in Erle direkt hergestellt und mit dem Abbruchmaterial des Altbaus im Neubau verbaut. Die Geschichte berichtet, das für die Anfertigung der neuen Backsteine nur fünf Tage gebraucht wurden [2]. Vom Vorgängerbau wurde die alte Gräftenanlage übernommen, deren ehemalige Brücke bereits 1787 abgerissen und durch einen befahrbaren Damm ersetzt wurde. Erst Anfang des 1900 wurden die Gräften dann komplett zugeschüttet.

 

Das Alte Pastorat, Süd-Westseite

Das Alte Pastorat an der Femeiche - Geschichtsstation des Heimatvereins
Foto: 
Lisa-Marie Kleerbaum, mit freundlicher Genehmigung

 

Kaum erbaut wurde das Gebäude auch schon Opfer mehrerer Unglücke. Pfarrer Nonhoffs Chronik berichtet:

"Im Jahre 1790 wurde die hiesige Pastorat neugebaut, wie es auch die Jahreszahl am Hause nach Norden hin anzeigt. Einige Jahre nachher, wie ich von dem alten Heidermann im Dorfe gehört, wurde das Pfarrhaus vom Brande heimgesucht; es war so ungefähr 1797. Das Brandunglück soll durch Unvorsichtigkeit mit Schießgewehren bei der damaligen Namenstagfeier des Pastors de Weldige entstanden sein. Das Gebäude wurde partial eingeäschert, der untere Teil bis zum Gebälk ist stehen geblieben. Noch befinden sich mehrere Balken am Hause, die angebrannt sind."

"Als man bald das Haus wieder hergestellt, da ist auf einen Sonntag, während der Pfarrer den Gottesdienst in der Kirche abhielt, bei einem starken Sturmwinde der ganze Obertheil des Hauses bis zum Gebälk wieder abgerissen und weggeschleudert worden. Man sagt, die Zimmerleute hätten so leicht von der Hand weg den Bau ausgeführt." [5].

Ein erhaltener Bauplan aus dem Jahre 1847 zeigt uns heute, wie das Pastorat damals baulich eingeteilt und genutzt wurde: Der größere Teil belegte der Wohnbereich, den kleineren der Wirtschaftsbereich. Wie es der Pastor 1787 für den Neubau wünschte waren beide Bereiche strikt voneinander getrennt. Der Wohnbereich konnte durch die, auch heute noch als Haupteingang genutzte Haustür betreten werden. Von dort aus konnten die Fremdenzimmer, das Speisezimmer, das Schlafzimmer des Pfarrers, die große Küche mit offenem Herdfeuer, der Gartenraum, der Saal und die Kammer der Haushälterin erreicht werden. Der externe Backofen verschwand irgendwann. Die Türzarge des Haupteingangs des Pastorats besteht aus der gespaltenen Grabplatte aus hellem Baumberger Sandstein des ehemaligen Pastors Michael Spanier, die bis 1876 in der kleinen Kirche zwischen dem Altar und der Kommunionbank dessen Grab bedeckt hatte [4].


Das Alte Pastorat an der Femeiche von 1790 - Der Plan von 1847 zeigt die Raumaufteilung.
Quelle: Sönnert "Damals"  1997, Seite 166 
 

Im Laufe der Zeit wurde das Haus mehrfach innen umgebaut und den Bedürfnissen angepasst [3]. Im 19. Jahrhundert entstanden an der Südseite des Pfarrhauses einige Nebengebäude, die hauptsächlich landwirtschaftlich genutzt wurden [3]. Diese Nebengebäude verloren, nach dem der letzte Pastor mit eigener Viehwirtschaft, Dechant Karthaus, diese aufgegeben hatte ihren eigentlichen Verwendungszweck. Pfarrer Grosfeld machte aus dem leer stehenden Gebäude Räume für kirchliche Zwecke [5]

Alte Pastorat im Jahr 1988
Foto: Rüdiger Eggert, Dorstener Zeitung, mit freundlicher Genehmigung.
Quelle:
Archiv Walter Biermann,
mit freundlicher Genehmigung

 

Das Alte Pastorat, Süd-Westseite

Das Alte Pastorat an der Femeiche - Ansicht Süd-West-Seite im Jahre 2015
Foto: 
Walter Biermann, mit freundlicher Genehmigung

 

Während der NS-Zeit war es auch Pfarrer Grosfeld untersagt, in der Schule den katholischen Gottesdienst zu unterrichten. Also wurde der Unterricht kurzerhand in das Nebengebäude des Pastorats verlegt [5]. Auch diente diese Teil des Pastorats, nach dem St. Silvester am 23. März 1945 weitgehend durch alliierte Bomben zerstört wurde, den Erlern als Kirchenraum bevor im Oktober 1945 die Notkirche auf der Wehme errichtet werden konnte [5]. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde das große Haus immer mehr auf die Belange der Pfarrgemeinde zugeschnitten.  Pfarrer Vortmann ließ den Südteil des Gebäudes 1957 in ein Jugendheim umbauen [10]. 1967 bezog die Erler Kath. öffentliche Bücherei neue Räumlichkeiten im Nordteil des Gebäudes, das vorher entsprechend umgebaut wurde [6]. Nachdem die Pfarrwohnung des Pastors und das Pfarrbüro 1978 in das Neue Pastorat umgezogen waren und nach Umbaumaßnahmen wurde das Alte Pastorat seiner neuen Bestimmung als Begegnungsstätte für alle Erler Bürger und Vereine übergeben. Auch Pfarrheim genannt war es bis weit in die 80er und 90 Jahre der kulturelle Mittelpunkt Erles. [10] Im selben Jahr musste die Kath. öffentliche Bücherei innerhalb des Pastorats in kleinere Räumlichkeiten umziehen [10]. Dieser kleine Raum war dem damaligen Pastor Schürmann so peinlich, das die leitende Büchereileiterin Frau Rölver sich regelmäßig erlaubte auf die Platzprobleme aufmerksam zu machen was den Pastor ebenso regelmäßig schnell das Weite hat suchen lassen [11].

 

Das Alte Pastorat, Nordseite

Das Alte Pastorat an der Femeiche - Ansicht Nord-Seite im Jahre 2015
Foto: 
Walter Biermann, mit freundlicher Genehmigung
 

1988 wurde der südliche Gebäudeteil komplett renoviert und zu einem damals modernen ToT-Jugendheim ausgebaut [6]. Es folgte eine weitere Sanierung des Gebäudes im Jahre 1994 [7]. Das Jugendheim wurde dann trotzdem zugunsten des neuen Jugendhauses 1997 aufgegeben [8]. Die ehemalige katholisch öffentliche Bücherei verließ 2006 ihre Räume im Alten Pastorat und zog in die ehemalige Metzgerei Sebastian [9].

Sieben Pfarrer haben in dem Alten Pastorat gewohnt:

Joseph Anton de Weldige von 1770 bis 1814
Franz Lohede von 1814 bis 1843
Anton Nonhoff von 1843 bis 1891
Peter Karthaus von 1891 bis 1927
Eberhard Grosfeld von 1928 bis 1948
Theodor Vortmann von 1948 bis 1966
Hermann Schürmann von 1966 bis 1992

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Bis Anfang 2015 wurde das Alte Pastorat weiterhin von den verschiedenen kirchlichen Vereinen, Chören und Orchestern genutzt, aber bereits im Juli 2011 wurde den Erlern von der Kanzel herab mitgeteilt, dass der damalige Pfarrgemeinderat mit dem damaligen Raesfelder Pastor Arntz beschlossen haben, das ihr beliebtes Altes Pastorat nicht mehr benötigt wird und die einsame Entscheidung getroffen hat, am Kirchenring ein neues Pfarrheim zu bauen. Diese Vorgehensweise und das damit ungewisse Schicksal für das historisch wichtige Gebäude hat in der Erler Bevölkerung viel Aufregung verursacht [12]. Die Befürchtung war groß, dass die Kirchengemeinde das Gebäude an einen privaten Investor verkaufen wolle und das Alte Pastorat dann abgerissen oder verschandelt werden würde. Damit wäre auch das für Erle wichtige Ensemble "Femeiche-Altes Pastorat-Pastors Garten-Kastanienallee" in Gefahr gewesen. Leider reagierte der damalige Kirchenvorstand nicht so, wie es in Erle üblich ist und anstatt eines Konsenses wurde mit zahlreichen verbalen und schriftlichen Angriffen gegen die Gegner des Verkaufs des Alten Pastorats vorgegangen.

 

 

Das Alte Pastorat, Süd-Westseite

Einladungsflyer zur Podiumsdiskussion
Grafik:
 
Reinhard G. Nießing, mit freundlicher Genehmigung
Einladungsflyer zum Osterbasar
Grafik:
 
Reinhard G. Nießing, mit freundlicher Genehmigung

 

Zwischenzeitliche Treffen der beiden Gruppen brachten zwar ein wenig Entspannung, ein befriedigendes Ergebnis für beide Seiten wurde aber nicht erreicht. Die Hoffnungen, die auf den neuen Raesfelder Pastor Kenkel gesetzt worden sind, wurden bereits am Anfang nicht erfüllt. Im Gegenteil. Dadurch bedingt entbrannte in den Tageszeitungen, im Internet und über den Dorffunk ein teilweise mit harten Bandagen geführter Meinungsaustausch.  Zu diesem Zeitpunkt gründete sich eine Initiativgruppe zum Erhalt des Alten Pastorats und führte in bewährter Erler Manier diverse Veranstaltungen durch um den Rest der Öffentlichkeit auf die Machenschaften der zwangsfusionierten neuen Kirchengemeinde aufmerksam zu machen. 1277 Unterschriften wurden gesammelt. Allerdings fand das wichtige Anliegen weder bei der Kirche noch bei der politischen Gemeinde ein Gehör: Am 31.12.2014, also ausgerechnet am Silvestertag, dem Namenstag des Patrons der Erler Katholiken, wurde wieder von der Kanzel herab durch einen Diakon der Raesfelder Kirchengemeinde St. Martin verkündet, dass das Alte Pastorat an eine ortsfremde Familie aus dem Ruhrgebiet verkauft worden ist. Nebenbei erfuhr die Borkener Zeitung noch, das diese Verhandlungen schon seit Monaten geführt worden wären. 

Damit ist die Zunkunft des alten Gemäuers weiterhin offen...

 


Klicken Sie bitte auf die Grafik um eine größere Version zu erhalten.
Artikel: Frank Liebetanz, Borkener Zeitung vom 31.12.2014

 
 
Quellen:
[1] Thomas Spohn (Hg.): Pfarrhäuser in Nordwestdeutschland - Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland, Waxmann, Münster 2000, ISBN 3-89325-717-9, S. 208ff.
[2] Ingrid Sönnert. Damals... Menschen und Geschichte(n) aus Raesfeld, Erle und Homer, Gemeinde Raesfeld 1997, ISBN 3-9804028-1-9, S. 166ff.
[3] Vereinigte Westfälische Adelsarchive e.V.: Das Pastorat zu Erle betr. Grundstücke, Bauten und Bestallungen (Findbuch : Lem.L - Archiv Lembeck, Bestand Lembeck) (Bestand : Coppel (Lem.Co))
[4] Heinrich Lammersmann: Michael Spanier 1622-1669(70?) Heimatkalender der Herrlichkeit Lembeck, 1929, S. 65ff.
[5] Hermann-Josef Buning: Das alte Pfarrhaus in Erle Heimatkalender der Herrlichkeit Lembeck, 1981, S. 81ff.
[6] Unbenannter Autor, Dorstener Zeitung, Lokalteil Erle, Artikel: "Pfarrhaus Erle hat bewegte Geschichte", Ausgabe Nr. 298, 22.12.1990
[7] Christa Setzer: Von September bis August, Heimatkalender der Herrlichkeit Lembeck, 1996, S. 223ff
[8] Christa Setzer: Von September bis August, Heimatkalender der Herrlichkeit Lembeck, 1998, S. 201ff
[9] Christa Setzer: Von September zu August, Heimatkalender der Herrlichkeit Lembeck, 2006, S. 220 ff.
[10] Pfarrei St. Silvester: Festschrift zum 100. Jubiläum der Kirche, 1979
[11] Eigene Erinnerungen von Michael Kleerbaum, damals Büchereihelfer im Alten Pastorat.
[12] Klaus Werner: Warum ein Publikandum im Dorf Erle für Aufregung sorgt Heimatkalender der Herrlichkeit Lembeck, 2015, S. 128ff.