Durch einen glücklichen Umstand bin ich in den Besitz einer Originalausgabe des „Borkener Wochenblatts“ aus dem Borkerner Verlag Mergelsberg gekommen. Und zwar die Ausgabe vom 01. April 1899! Und damit noch nicht genug, rein zufällig ist auf der Rückseite ein interessanter Artikel über Erle vorhanden!

Ich habe mich mit der Borkener Zeitung in Verbindung gesetzt, die ja auch vom Verlag Mergelsberg in Borken verlegt wird. Ich habe die Erlaubnis bekommen, diese Ausgabe in digitalisierter Form auf meiner Homepage hier zu zeigen. Vielen Dank dafür!

Wie immer habe ich die Frakturschrift in unsere heutige lateinische Schrift übertragen. Leider ist der Autor des Erler Artikels nicht in der Ausgabe vermerkt worden.

 

 

Einiges zur Geschichte von Erle

Erle kommt im 12. Jahrh. unter dem Namen Erlere vor, 1313 wird es Herlere genannt, im 14. Jahrh. Erler, später (z.B. 1613) Erle.

In Erle wohnte früher ein altes Rittergeschlecht. Davon kommen vor urkundlich 1201 Fredericus de Herlon, 1207 Fredericus de Erlo, 1246 und öfter bis 1285 Henricus de Erlo (auch Erler), Arnoldus de Erler, Liudgerus de Erlo, Bernhardus de Erlo. In der folgenden Zeit muß es ausgestorben sein.

Die jetzige Pfarre Erle gehörte Anfangs, wie auch Raesfeld, Burlo, Weseke, Gemen, Heiden, Groß- und Klein-Reken, zur ursprünglich großen Pfarrei Borken. Als Raesfeld, wohl gegen Ende des 12. Jahrh., von Borken abgetrennt und selbstständige Pfarrei wurde, bildete Erle einen Theil derselben. Noch 1613 heißt es urkundlich Erle filia in Raesfeldt. Indessen ist Erle schon früh, wahrscheinlich im 13. Jahrh., von Raesfeld abgezweigt und zur selbstständigen Pfarrei erhoben. Doch war sie nie bedeutend. Die Pfarrstelle an der Kirche brachte 1313 nur 1 Mk. jährlich ein, während die von Schermbeck 3 Mk., Hervest 2 1/2 Mk., Wulfen 2 Mk., Lembeck 5 Mk. (Rhade war noch nicht Pfarrei, gehörte zu Lembeck), Raesfeld 2 1/2 Mk., Heiden 3Mk., Reken 5 Mk., Velen 2 1/2 Mk., Ramsdorf 10 Mk. (Weseke gehörte damals zu Ramsdorf), Burlo 10 Mk., Rhede 6 Mk., Dingden 2 Mk., Bochold 24 Mk., Borken 35 Mk., einbrachte. (Eine damalige Mark war nach unserem Gelde gleich 33,3 Mk.; man konnte dafür kaufen: 12 Malter Hafer, oder 6 Malter Gerste, 4 Malter Weizen, 1 1/3 Morgen Ackerland, ungefähr 5 gute Ferkel.)

Die Pfarrkirche von Erle wird zuerst gegründet sein von dem alten Rittergeschlecht von Erle, welches dann auch das Patronatsrecht sich weiter vererbt, schließlich oder auch sofort an die Familie von Willich (oder Wylich). Im Jahre 1571 besaß es Willich Hoiffmeister“. (Schon 1553 und 1554 kaufte ein Dyderick van Wylach slaudes van Cleve erhaefmeister verschiedene Grundstücke bei Borken). Adolf Hermann von Wilach führte am 8. Oktober 1622 den Michael Spannier als neuen Pfarrer von Erle ein. Im Jahre 1626 besaß das Patronatsrecht seine verwittwete Gemahlin, die sich mit einem Freiherrn von Pallandt wieder vermählt hatte und sich auch „Pfandfrau von Döringen, Erholzrichtersche der Erler Marken, sowie Collatrix (Patronin) der Kirche daselbst“ nennt. Sie scheint als Besitzerin des Erbholzrichteramtes der Erler Marken das Patronatsrecht inne gehabt zu haben. Ihre Nachkommen traten noch als Besitzer von Dorinck (Döring) auf; so kommt 1651 und 1663 vor ein Dietrich Karl Freiher von Wilich und Richoltz, Herr zu Winnenthal (bei Xanten), Borck, Hüls, Dorinck und Wyntelen (Hamminkeln?) fürstlich Münsterischer Kanzler und geheimer Rath. Das Patronatsrecht von Erle besaß jedoch schon 1643 die Familie von Westerholt zu Lembeck. Von dieser ging es später auf die Grafen von Merveldt über.

Die Kirche von Erle wurde im Jahre 1560 während der Stürme der Reformation eingeäschert, aber wieder aufgebaut. Die Unruhen und Bestrebungen der Reformation (der neuerstandenen lutherischen Religion) scheinen sich überhaupt in Erle ziemlich eingeschlichen zu haben. Als im Jahre 1571 der Bischof von Münster Johannes von Hoya seine Diözese, welche theilweise infolge der Reformationsbestrebungen sehr in schlechten Stand gekommen war, durch eigens Bevollmächtigte visitiren ließ, begab sich am 9. September 1571 ein Theil der Visitatioren von Borken aus nach Erle, Rhade, Lembeck und Wulfen. In Erle fanden sie in der Kirche keine Bücher, außer einigen lutherischen Gesangbüchern; die Statuen waren hinweggeräumt, die Gemälde überweißt, das sacrarium (Tabernakel) leer, der Taufbrunnen voll Fliegen und Spinnen. Der Pastor bekannte sich offen zum Luthertum. Vielleicht ist dieser Pfarrer es, wenn im Volksmunde der Gegend die Sage also erzählt: „Der Pfarrer von Erle sei in jenen Zeiten lutherisch geworden, während die Gemeinde katholisch blieb; in Drevenack sei umgekehrt die Gemeinde lutherisch geworden und der Pfarrer katholisch geblieben; da hätten die Pfarrer von Erle und Drevenack mit ihren Stellen getauscht.“ Am 10. Mai 1572 wurden die Pfarrer von Lembeck, Wulfen, Holsterhausen, Schermbeck und Rhade und der Schloßkaplan von Raesfeld vor die Visitatoren nach Dülmen geladen, der Pfarrer von Erle nicht, vielleicht hatte er sich von der bischhöflichen Behörde ganz losgesagt. Die 1631 nach der Einäscherung wieder aufgebaute Kirche wurde nach der Ostseite hin erweitert, vor einigen Jahren ist ein Neubau an ihrer Stelle getreten, eine recht gefällige dreischiffige gothische Kirche mit sehr ansprechender Dekoration.

Die Kirche von Erle war von jeher dem hl. Papst Silvester geweiht. Derselbe war nicht Martyrer, sondern ein heiliger Bekenner. Während in früheren Zeiten gewöhnlich Martyrer zu Patronen der Kirche gewählt wurden, macht die Gegend von Borken eine Ausnahme. Nicht blos hat die Pfarrkirche von Borken sehr früh einen hl. Bekenner, Remigius, zum Patron bekommen, sondern auch die Patrone von Raesfeld (Martinus), von Rhede (Gudula), Weseke (Ludgerus), Ramsdorf (Walburgis) sind keine Martyrer. Das Patrozinium der ältesten Kirche in Borken muss auf die Wahl des Patrons bei den Nachbarkirchen von Einfluß gewesen sein. Der Patron von Erle, Silvester, steht aber dem hl. Remigius auch sonst nahe; denn beide stehen im Wendepunkt der Geschichte der katholischen Kirche in Europa und haben diese Wendung mit herbeiführen helfen. Dazu werden im kirchlichen Breviergebet Silvester und Remigius wegen ihrer Tugenden mit einander verglichen und einander gleichgestellt. Das Fest des hl. Sylvester fällt bekanntlich auf den 31. Dezember. Da es aber an diesem Tage wegen der Weihnachtswoche nicht äußerlich und besonders gefeiert werden kann, so feiert die Pfarrei Erle ihr Patronatsfest am Sonntage nach Neujahr und unter Umständen am Sonntag nach hl. Dreikönige.

Im Thurme zu Erle fand sich früher eine alte Glocke aus dem Jahre 1469, welche folgende Inschrift hatte: „Catharina heit ic, den doden betrov ic, hagel und donner breck ic. MCCCCLXIX.“ Dieselbe ist 1851 geborsten und umgegossen. Ein Zehnte aus dem Kirchspiel Erle, welchen der Graf von Solms zu Ottenstein bezog, wird im 14. Jahrhundert also aufgeführt: „in den Kerspele von Erler dat grote Hach V fcep. rocgen tendemante (zehntenmaß), dat lüttike Hach IX fcep. rocgen und elick 4 hellinge, 1 goes, 1 hoen, 1 schaep wannet dar is.“

 Im alten Fürstbisthum Münster gehörte die Gemeinde Erle zum Amte Ahaus, welches aus dem jetzigen Kreise Ahaus, der nördlichen Hälfte des Kreises Borken und anliegenden Kirchspielen bestand. Als 1803 das Fürstbisthum Münster aufgehoben wurde und das vorgenannte Amt Ahaus nebst dem Amte Bochold zum Fürsthenthume Salm umgebildet wurde, gehörte auch Erle hierzu. Im Jahre 1810 hob Napoleon das Fürstenthum Salm wieder auf und vereinigte es mit dem französischen Kaiserreiche. Nach dieser Umgestaltung gehörte Erle zum Kanton (etwa Kreis) Ringenberg des Arondissements (etwa Bezirkes) Rees im Departement der Lippe. Als 1813 diese Gegend an Preußen kam, wurde vorläufig ein Kreis Rees gebildet, zu welchem Erle gehörte. Seit 1816 gehört es dem jetzigen Kreise Recklinghausen an, und zwar dem Amte Altschermbeck, welches mit dem Amte Lembeck durch Personalunion verbunden ist, mit dem Amtsitze in Wulfen. Nach den Volkszählungen der preußischen Regierung hatte die Gemeinde Erle in den Jahren 1818: 758, 1828: 761, 1843: 753, 1858: 758, 1871: 728, 1885: 754, 18:90 760 Einwohner. Sie umfaßt eine Fläche von 2001 Hektar.




2021 - Aus der Frakturschrift übersetzt durch Michael Kleerbaum 
mit der freundlicher schriftlicher Genehmigung durch die Borkener Zeitung (eMail von Herrn Kauffelt vom 11.05.2021).