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An der Grenze zu Raesfeld, in der Erler Mark gelegen, stand eine Motte [1]. Motten nennt man einen bestimmten Typ von Burg. Charakteristisch für diesen Burgtyp ist ein künstlich aufgeworfener, meist kreisrunder aber auch teilweise ovale Erdhügel mit einem meist hölzernen Wohn- und Wehrturm oben drauf. Befestigt wurde das ganze durch Wassergraben, Erdwälle und Palisaden aus. Die Bezeichnung "Motte" stammt von der französischen Bezeichnung "château à motte", wobei motte für "Erdsoden" oder "Klumpen" steht. In Deutschland hat sich auch die Bezeichnung "Turmhügelburg" etabliert.
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Wikipedia-Artikel
Motte (Burg)
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Wann die Turmhügelburg in der Erler Mark errichtet wurde ist bis heute noch unbekannt. Man weiß durch andere Funde in ganz Deutschland aber, das die Hochzeit der Turmhügelburgen etwa um 1100 nach  Chr. gewesen ist. Entstanden sind die Motten aus den bäuerlichen Fliehburgen, in denen sich der Landadel mit seinen Leibeigenen in den Zeiten der Normannenstürme vor eben diesen in Sicherheit bringen konnte. Diese Fliehburgen wurden mit der Zeit mit Wehr- und Befestigungsanlagen ausgestattet und wurden damit zu den Herrschaftssitzen des Landadels des frühen Mittelalters.

Der überwiegende Teil dieser Kleinburgen sind schon lange verschwunden. Nur alte Sagen, Geschichten und Flurnamen künden meistens von den einfachen Wehranlagen längst vergangener Zeit. In einigen Fällen ist der künstliche Erdhügel allerdings erhalten geblieben, vielfach allerdings als ein solcher unerkannt. Einige Turmhügelburgen wurden weiter ausgebaut und wurden im Laufe der Jahrhunderte zu den prächtigen Wasserschlössern, die sich bis in die heutige Zeit erhalten haben. Auch Schloss Raesfeld entstand aus einer Motte. Die bekannte Raesfelder Turmhügelburg "Kretier" gelang dieses aber eben so wenig  wie der Erler "Hanenborg". Die Burg Kretier ging 1152 in Flammen auf. Ob dieses Schicksal auch der Hanenborg beschieden war? Man weiß es nicht.

Die Hanenborg liegt rund zwei Kilometer südlich von Schloss Raesfeld gelegen in der Erler Mark, das ist ein Waldgebiet zwischen dem Raesfelder Tiergarten und der heutigen Straße "Westricher Wald", die weiter östlich in die "Westerlandwehr" übergeht. Zwischen den Abzweigungen zu den Straßen "Urröste" und "Barkendahl/Steensiepe", aber auf der anderen Straßenseite Richtung Raesfeld gelegen. Von Erle aus kommend noch vor dem bekannten Lohnbetrieb "Wachtmeister" gelegen. Klicken Sie unten auf die Links um sich den Standort im Geodatenatlas als Luftbild oder in einer Karte anzeigen zu lassen. Früher eine Waldwiese liegt diese Wiese heute am Rande des Waldes, an der zum Feld hin zeigenden Seite nur noch durch einen dünnen Streifen mit Baum- und Buschbestand eingesäumt. Dort hatte sich um 1800 der Waldkötter Nienpötter angesiedelt, weshalb diese Wiese auch unter dem Namen "Pötters-Wiese" bekannt ist. Den Namen "Pötter" findet man auch heute noch als Straßen- und Flurname in der näheren Umgebung.

Wie gesagt, von der Burg ist nichts Oberirdisches erhalten geblieben. Dass man aber letztendlich doch von diesem Bauwerk weiß ist einigen Pergamenturkunden aus dem Staatsarchiv in Münster zu verdanken. Dort ist zu lesen, das am 23. November 1500 am Krankenlager des Burgherren Johann von Raesfeld sein Bruder Heinrich, Rutger von Diepenbrock zu Tenking, Johann Osterwijk, der Erler Pastor Deryck van Wijk, der Augustinermönch Hinrich Seveker aus Marienthal, den Raesfelder Pfarrer Bernardus Sengenhorst und Hinrich Debynck standen um den letzten Willen des sterbenden Burgherren zu bezeugen. Seine Ehefrau Friedericke von Rede sollte u.a. für ihr Altenteil  "de olde Hanenborg" erhalten. Benannt wurde die Turmhügelburg nach dem Raesfelder Burgmann Rotger tor Hanenborg [2], der namentlich in einer Urkunde aus dem Jahre 1482 genannt wurde. Diese wurde, was man ebenfalls aus alten Unterlagen ersehen konnte, Ende des 15. Anfang des 16. Jahrhunderts von Rotger tor Hanenborg aufgegeben. Dessen Nachfahren kann man auch heute noch in den alten Kirchenbüchern der Pfarrei St. Martin zu Raesfeld finden.

Für die Raesfelder Heimatforscher schien es sofort klar zu sein, wo sich die Hanenborg befunden haben muss. Schließlich gibt es auf der Raesfelder Gemeindekarte den Flurnamen "Up'n Hamborg". Nach einer Ortsbegehung wurde aber schnell klar, dass sich die Hanenborg dort nicht befunden haben kann. Also weitete man die Suche in östlicher Richtung bis zu der Auenlandschaft der Issel aus. Aber auch die Begehung dieser Gebiete und die Auswertung von Luftaufnahmen brachten keine Hanenborg zum Vorschein.

Schließlich gab eine Karte aus dem Jahre 1842 den alles entscheidenden Fingerzeig. Darauf war, mit dem Flurnamen "Hamburghök" bezeichnet, die schon oben genannte "Pötters Wiese" zu sehen und darin lag eine Fläche, die von einem hufeisenförmigen Wall umgeben war. Mit der daraufhin angeforderten Urkatasterkarte von 1822 war es dann nicht mehr schwer, sowohl den alten Fuhrweg als auch den alten Gräftenauslauf zu lokalisieren. Leider wurde nur ein unbedeutender Rest des Walls nicht von der Anfang des 20. Jahrhunderts durchgeführten Einplanierung des Geländes betroffen.

Daraufhin wurden Suchgrabungen durchgeführt. Zwei davon bestätigten den vermuteten Gräftenverlauf, der auf der Urkatasterkarte zu erkennen war. Ansonsten fand man aber leider nur unzusammenhängende Steinsetzungen und eine stark verrostete Eisenkette. Erst als 1973 der Besitzer eines Teils der Wiese diese mit einem modernen, tiefgehenden Flug bearbeitete, wurden weitere Zeugnisse aus der alten Zeit zu Tage gebracht, u.a. einen halben Handmühlstein von 0,70m Durchmesser und einen Haufen Tonscherben. Letztere konnten der hiesigen Pottbäckerei aus dem 11./12. Jahrhundert  zugeordnet werden, einige sogar als feinen, weißen Siegburger Handelsware. Mit diesem Fund war der Standort der Hanenborg nun endgültig bestätigt worden.

Wie gesagt, heute ist von der Hanenborg nichts mehr zu erkennen. Alles, was von ihr übrig blieb liegt noch unerkannt und unsichtbar in der Erde unter "Pötters Wiese" in der Erler Mark verborgen.

 
Quellen:
[1]

Adalbert Friedrich und Lutz Hoffmann: De olle Hanenborg in der Erler-Mark, Heimatkalender der Herrlichkeit Lembeck, 1975, S. 37ff

[2]

August Heselhaus: Bodenforschung im Kreise Borken - Schriftenreihe das Kreises Borken Band IV, P. Neumann, Velen, 1974, Seite 59