Das Lager bei Erle
von A. Hartmann, Oberlehrer am Seminar in Dorsten
aus "Verstische Zeitschrift, Zeitschrift der Vereine für Orts- und Heimatkunde im Veste und Kreise Recklinghausen, Jahrgang 1908
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Das Dorf Erle, zur Unterscheidung von anderen Orten gleichen Namens „Erle bei Dorsten“ genannt, liegt in nördlichen Teil des Kreises Recklinghausen, an der Chaussee, die von Dorsten nach Borken führt. Es ist 13 km von Dorsten und 6 km vom Bahnhofe Rhade, mit dem es Omnibusverbindung hat, entfernt.
Rund 500 m nordwestlich vom Ausgang des Dorfes trifft die Chaussee Dorsten - Borken in der Richtung auf Raesfeld zu in das 50 bis 60 ha große Lager. Sie verläßt es zwischen den Kilometersteinen 8,7 und 8,8 und zerlegt es somit in ein östliches und westliches Stück, wie das der auf der folgenden Seite stehende Plan des Lagers zeigt.

In Erle selbst ist das Lager von jeher unter der Bevölkerung bekannt. So hat es der dortige, aus Erle gebürtige Lehrer Lammersmann schon als Kind gekannt. Vielfach mag man aber den Zusammenhang der noch erhaltenen Wälle nicht erkannt haben, was aus der Benennung der Wälle, die im Volke oft Landwehr heißen, hervorgehen dürfte. Man hört aber auch den Namen Lager nicht gar selten. Selbst die Bezeichnung Römerlager kommt nach den Zeugnissen des Lehrers Lammermann und der beiden Arbeiter, die am 26., 27. und 28. März 1907 unter Hinskens und meiner Leitung im Lager gruben, vor. Doch wird dieser Name nicht aus dem Volke selbst stammen; denn nach der Erler Schulchronik, deren Abfassung der Lehrer Lammermann 1887 begann, hat der verstorbene Professor Hosius aus Münster zwischen 1870 und 1880 die noch vorhandenen Lagerwälle besichtigt und das Lager als Römerlager bezeichnet. Hierher dürfte dann diese Bezeichnung im Volke rühren. 

Die Höhe der Wälle hat Hofius auf 1,5 m und die weiteste Entfernung der „in Hufeisenform angelegten Wälle“ auf 800 bis 1000 m geschätzt oder gemessen. Vergl. Dazu auch: „Geschichte des Dorfes Erle und seiner Eiche“. Von Dr. Weskamp, Prof. am Gymnasium in Dorsten. (Vestische Zeitschrift, Band XII, Seite 7, Anmerkung 2.)

Schon im Jahre 1884 hat der Rittergutspächter Bernhard Hinsken auf Engelrading bei Borken i. W. unter Führung des jetzigen Lehrers Lammersmann in Erle das Lager besichtigt. Er hat diese Bezeichnung dann 1901 wiederholt und auch schon damals eine Faustzeichnung des Lagers aufgenommen. Am 4. Januar 1907 führte Hinsken den Verfasser um dieses Lager herum und in demselben umher. Am 6. Januar 1907 stellte ihm der Dorstener „Verein für Orts- und Heimatkunde“ 50 Mk. Für eine Versuchsgrabung im Erler Lager in Aussicht, die er später bewilligte und zu Ostern 1907 zahlte.

Mit diesen Mitteln wurde in den oben genannten drei Märztagen von Hinsken und Hartmann das Folgende über das Lager ermittelt, indem Hinsken am 26. März und Hartmann am 27. Und 28. März die Ausgrabungen leitete, während Hinsken an den beiden letztgenannten Tagen die Vermessung vornahm.


Das Ergebnis der gemeinschaftlichen Arbeiten zeigen die beigefügten Abbildungen. Danach liegt das Lager zu beiden Seiten der Chaussee, die von Erle nach Raesfeld führt. Der Pfeil zeigt die Nordrichtung an. Wie die gestrichelten Linien zeigen, ist der Nordwall zum größten Teil eingeebnet. Zwei noch vorhandene Stücke des Nordwalles ermöglichen in Verbindung mit einem auf dem zugefüllten Lagergraben aufgesproßten Graswuchse in dem Heidekraut auch ohne Grabung eine vorläufige Bestimmung der früheren Richtung des Lagerwalles. Fast an allen Stellen ist neben dem Walle noch eine mehr oder weniger deutliche Spur des Lagergrabens sichtbar geblieben. Seine ursprüngliche Form zeigen die „Graben-Profile am Lagerwall“ a, b, c, d, e, f, g und dI auf der oberen Seite der beigefügten Tafel. Die in tiefen Schnitten stehenden Zahlen bezeichnen die Breite und die Tiefe des Grabens und bedeuten Zentimeter.

Gleich der erste Schnitt führte zur Aufdeckung des Osttores. Letzteres liegt unmittelbar neben dem Wald im ersten Beete des Ackerlandes. Es scheint nur 2,40 m breit gewesen zu sein. Wegen der Arbeiten, die mit der Ausräumung des Tores verbunden waren, mußte die Verfolgung der Grabenrichtung im Acker unterbleiben. Dem Osttor gegenüber befindet sich im Westwalle eine Unterbrechung, die vielleicht als Westtor angesehen werden kann. Trifft diese Vermutung zu, dann darf man wohl schließen, daß die Lagergräben noch einige 100 m weit in das Ackerland hineinreichen; denn von der Verbindungslinie der beiden Tore an erstreckt sich der erkennbare Teil des Lagers noch etwa 650 m nach Norden hin. Dabei ist die von den noch vorhandenen Wällen eingeschlossene Lagerfläche gegen 800 m lang und ebenso breit. Und wenn das Ost- und das Westtor auch nicht in der Mitte der Längsseiten liegen, so werden sie doch dem Südende wahrscheinlich auch nicht ganz nahe gelegen haben.

In dem noch erhaltenen Teil des Westwalles liegen drei quadratische Flächen von 7 m Seitenlänge und der jetzigen Wallhöhe, die der Plan als kleine weiße Vierecke zeigt. Auf die mittlere Fläche führt von Süden her in der Richtung des Walles eine regelrecht angelegte Rampe. Ich vermag nicht zu sagen, zu welchem Zwecke diese erhöhten Flächen angelegt sind, da ich sie bisher noch niemals sah. Man könnte sie als Geschützstellungen deuten. Im Nordwalle ist nur noch eine solche Geschützstellung erhalten. Zwei andere sind als bereits eingeebnet nachgewiesen. Davon liegt die eine gleich östlich der Chaussee.

Im Ostwalle liegt nur ein Knick. Eben nördlich von diesem 10 m breiten Knick findet sich eine Erhebung im Walle. Ob sie ein bäuerlicher Holzabfuhrweg oder etwas anderes ist, kann nur durch entsprechende Grabungen festgestellt werden. Dasselbe gilt auch von zwei anderen Lücken im Ostwalle.

Im Innern des Lagers liegt eine große Zahl von Wohngruben, die zur Zeit ihrer Benutzung wohl mit einer Überdachung versehen waren und in der Altertumsforschung den Namen Mardellen führen. Sie dienten als Wohnzelte. Außerdem bringt die Zeichnung etwa ein halbes Dutzend größerer Vierecke. Jedes von ihnen stellt ein umwalltes Viereck dar. Die Seitenlängen dieser Vierecke schwanken zwischen 9 und 30 m. Neben dem Walle hat jedes auch seinen Wallgraben und birgt zuweilen im Innern oder am Rande einige Wohngruben. Man könnte diese Vierecke als umwallte Zeltplätze ansehen. Auch von ihnen sind schon mehrere eingeebnet. Einzelne Wohngruben liegen auch noch außerhalb der Umwallung, wie das die Zeichnung zur Darstellung bringt. In der Nordwestecke des Lagers bezeichnen zwei kleine Kreise ebenso viele Teiche. Wahrscheinlich sind es zwei Tränkstellen für das Vieh des Lagers. 

Am letzten Nachmittages nahmen wir im Westwalle durch den Schnitt dI auf eine Länge von 5 m die Außenhälfte des Wallkörpers fort, um nachzusehen, ob der Wall Pfostenstellungen gehabt habe. Da der Graben auf dieser Stelle nicht ausgeleert wurde, unterschieden sich die Grabenfüllungen und der Abrutsch oder Vorsturz des Walles einerseits durch ihre fleckige Färbung sehr deutlich von dem einfach gefärbten Wallkörper und seiner Unterlage im nicht bewegt gewesenen Boden andererseits. Der Wallkörper bestand oben aus Heiderasen. Darunter lag eine etwa 0,20 m dicke Schicht des zähen und pechschwarzen alten Heidehumus, der zur Zeit der Wallanlage die dortige Heide bedeckt hat, dann aber außerhalb des Walles im Laufe der Jahre durch das sich vielleicht alle 10 Jahre wiederholende Abplaggen der Heidefläche verschwunden und an seiner Neubildung verhindert worden ist. Er liegt unter dem Walle in doppelter Stärke, weil die Menge des Humus, die von dem Graben durch den ersten Spatenstich fortgenommen wurde, als unterste Schicht auf der Wallfläche ihren Platz fand. Ihre Entstehung verdankt diese schwarze Masse den alljährlich abfallenden und dann verwesenden Blättchen, Blüten, Früchten und absterbenden Stengeln des Heidekrautes, Vorgängen, die überall da erfolgen, wo der Mensch mit seiner Plaggenhacke der Heide fern bleibt. Neben ihrer pechschwarzen Farbe besitzt diese Masse eine so große Dichtigkeit, daß man eine stärkere Schicht derselben nur mit Mühe durchstechen kann. Bei regnerischem Wetter ist ihre Zähigkeit so groß, daß Tacitus, wenn er Annal. I, 63 bei der Beschreibung der Gegend, durch welche die pontes longi führen, sagt: … „im übrigen Moorgrund, voll von zähem Schlamm“, nur an diese Heidehumus gedacht haben kann. Unter ihm begann alsbald der nicht mehr bewegt gewesene Boden. Beim Abtasten desselben mit dem Spazierstocke zeigte sich, daß man den Stock an den meisten stellen nur bis eben über die eiserne Zwinge hinaus in den gewachsenen Boden schieben konnte, während er an einigen Stellen leicht bis zu 0,60 m und darüber in den Boden hinab sank. Diese Stellen hielten wir anfangs für die gesuchten Pfostenlöcher, zumal ihre Stellung dieser Deutung nicht widersprach. Bei der zweiten Grabung, die vom 12. bis zum 15. August 1907 vorgenommen wurde, sah ich jedoch sehr bald, daß wir uns bei dem nassen Frühjahrswetter durch das viele Grundwasser der dortigen Heide hatten täuschen lassen; denn die vermeintlichen Pfostenlöcher waren quellenartig im Boden stehende und durch das Wasser aufgeweichte Stellen. Darum müssen auch: 

1. der in der Zeichnung im Schnitte dI gezeichnete Pfosten und 
2. die in dem Horizontal-Schnitte bei dI - unten links in der Zeichnung - dargestellte Pfostenlöcher vom Leser als nicht vorhanden angesehen werden.

Bei unseren Grabungen fand sich stellenweise ein außergewöhnlich fester Sand, der von den Bewohnern der dortigen Gegend Packsand genannt wird. Mit diesem Packsande hatte ich besonders am Morgen des 28. März zu rechnen, als ich südlich vom Oststore den Schnitt f anlegte, um den Verlauf des Grabens im Acker noch weiter klar zu stellen. Hätte der dort steckende Packsand nicht eine gerade große Zahl kleiner Holzkohlenstückchen enthalten, dann hätte ich ihn sicher für gewachsenen Boden erklärt und die Grabung an dieser Stelle aufgegeben. Zur vollen Entscheidung über den Verlauf des Grabens konnte ich an dieser Stelle trotz der leitenden Kohlensplitter nicht gelangen, da das betreffende Ackerstück bereits gedüngt und zur Saat gepflügt war, so daß ich nicht nach Bedürfnis graben konnte. Es scheint aber, wenn man die Lage des Grabens bei f und g mit der bei a und e vergleicht, als wenn der Graben hier plötzlich lagereinwärts biegt. Dadurch könnte dann eine ähnliche Ecke zustande kommen, wie sie 90 m nördlich vom Osttor im Ostwalle noch vorhanden ist. 

Über die vielen Wohngruben und umwallten Zeltplätze des Lagers erzählt sich die Bevölkerung, daß sie in den großen Kriegen der letzten Jahrhunderte von der einheimischen Bevölkerung angelegt und zur Unterbringung der Haustiere benutzt worden seien, um diese der Wegführung durch feindliche Soldaten zu entziehen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß eine solche Benutzung einzelner Wohngruben tatsächlich stattgefunden hat. Ihre Anlage hat aber einen anderen Grund. Dafür spricht ihre große Zahl. Die in der Regel geringe Größe und der heutige Zustand der einzelnen Gruben, sowie auch ihre Anordnung in öfters schnurgeraden Reihen und die Beschaffenheit der mir anderwärts in Wäldern bekannten Gruben, in denen zur Zeit Napoleons I. sicher Vieh versteckt worden ist. Diese Umstände verweisen die erwähnte Erzählung in die Reihe der Volkssagen, die sich fast an jede alte Befestigung knüpfen.

Die bisher ausgeführten Grabungen gehen wegen ihres geringen Umfanges über den Grad einer Voruntersuchung noch nicht hinaus und können daher namentlich wegen des Fehlens jeglicher Kleinfunde, wie sie sonst in Form von Scherben, Waffenstücken und dergl. zum Vorschein zu kommen pflegen, ein Urteil über die Erbauer und die Benutzung des Lagers noch nicht begründen. Dies muß vielmehr späteren umfangreichen Grabungen vorbehalten bleiben.

Da daß kleine Dörfchen Erle auf den wenigsten Karten verzeichnet steht, so will ich hier über seine Lage noch bemerken, daß es nur ein wenig nördlich von der Luftlinie Haltern und Xanten auf einer Bodenschwelle liegt, die eine Grundmoräne der Eiszeit darstellt und die benachbarten Niederungen um mehrere Meter überragt. Der Weg von Xanten über Erle nach Haltern ist nicht ganz 3 km länger als die Luftlinie Xanten - Haltern. Diese Lage dürfte den Professor Hosius mit veranlaßt haben, das Lager für römisch zu halten.

Unlängst teilte mir der Herr Hinsken brieflich folgendes mit: „Etwa 3,5 bis 4 km südöstlich von Erle findet sich unweit des Dorfes Rhade im Zuge des alten Prozessionsweges, der von Erle nach Haltern führt, eine eigenartige uralte Umwallung. Sie schließt eine nahezu viereckige Fläche von ungefähr 30 ha in sich. Wollte man in früheren Jahrhunderten einen gut gangbaren Weg von Erle nach Haltern einschlagen, so mußte man bei Umgehung des Rhader Niederungsmoores den Sandrücken wählen, worauf sich die genannte Wallanlage befindet. Anscheinend ist in dem Südwalle des uralten Vierecks noch ein Tor sichtbar. Bei meinen im April dieses Jahres an diesem Erdwerk vorgenommenen Grabungen habe ich einen Spitzgraben von 1,30 m oberer Breiter und 0,65 m Tiefe festgestellt.
Einige hundert Meter östlich von diesem Erdwerk liegt im Kottenbusch am Rande des Wiesenmoores ein Erdwerk, das einer Landwehr ähnlich sieht und sich gegen 250 m von Nordwesten nach Südosten hin verfolgen läßt. Der Weg nach Schermbeck schneidet dieses Erdwerk.

Bei meinen im Mai dieses Jahres dort angestellten Grabungen fand ich ebenfalls einen Spitzgraben. Er hatte an der besterhaltenen Stelle eine obere Breite von 1,70 m und eine Tiefe von 0,88 m. An einer anderen Stelle zeigte er nach der Wallseite hin eine Dammrutschung von 0,60 m Breite. Viele im Graben liegende und vermoderte Birkenüberreste und andere Langhölzer lassen vielleicht den Schluß zu, daß der Wall ursprünglich durch Holzwerk abgestützt gewesen ist. An den sumpfigen Stellen steckten ziemlich gut erhaltene Eichenholzpfähle von etwa 10 cm Stärke im Boden. Mehrere von ihnen waren über ein Meter lang.

Es ist zweifelhaft, ob die beiden hier zusammen liegenden Erdwerke ihrer Entstehung und Bewertung nach auch wirklich zusammen gehören. Trotzdem dürfte eine Untersuchung dieser beiden Erdwerke im Zusammenhange mit der weiteren Untersuchun des Erler Lagers geeignet sein, in das Ganze einen klareren und sichereren Einblick zu schaffen, als das eine Untersuchung könnte, die sich auf das nahe gelegene Erler Lager allein beschränken würde.“

Die hier gewünschte weitere Grabung konnte, wie schon erwähnt, noch im Herbste desselben Jahres mit den Mitteln der Westfälischen Altertumskommission durch den Verfasser erfolgen. Wir untersuchten am 12. August zunächst den Schnitt dI und fanden dort bei trockenem Wetter, daß unsere vermeintlichen Pfostenlöcher quellenartige Stellen, sogenannte Wassergallen, waren. Den im Frühjahr durch einen Schnitt untersuchten Graben leerten wir jetzt in der Absicht, Kleinfunde gut zu erhalten, auf eine Länge von 5,00 m vollständig, fanden dabei aber im Graben gar nichts. Seine obere Breite maß auf der ganzen Länge 1,40 m, seine Tiefe 0,65 m. Dabei war sein Profil das eines schön erhaltenen Spitzgrabens. Als ich im Frühjahr 1908 die Stelle mit dem Herrn Baurat Biermann-Paderborn nach einmal besuchte, war sie vom Eigentümer schon in Ackerland umgewandelt.

Außer an dieser Stelle gruben wir dann auch in 8 Wohngruben. Deren Größe schwankte zwischen 2,50 m Länge und 2,00 m Breite und 4,00 m Länge und 3,40 m Breite. Die Tiefe betrug bei allen rund 0,60 m. Zu 5 dieser Wohngruben war der Fußboden aus Kieselsteinchen, wie sie sich dort im Sande finden, und lehmigem Sande gestampft; in den 3 übrigen ließ sich das nicht mit Sicherheit feststellen. In 7 Wohngruben fand sich je eine Herdstelle, die oft viel verziegelten Lehm, eine ganze Reihe Scherben und zuweilen auch einige Nägel und Reste von Tonpfeifen um sich herum liegen hatten.
Die Scherben zerfielen:

1. in einer rote Sorte, die meistens an beiden, stets an einer Seite Glasur trug und sich durch die Art ihrer Anfertigung und ihres Brennens als jung erwies;
2. in einer Sorte, die wir noch heute als Steinzeug - sogenannte Koblenzer Ware - mit grauer Grundfarbe und blauer Bemalung, oft auch mit reliefartigen Verzierungen als Krüge, Trinkgefäße, Töpfe aller Art usw. benutzen. Alle diese Verzierungen fanden sich neben der gewöhnlichen braunen Sorte auch im Lager bei Erle und zwar in den Gruben, die östlich der Chaussee gegenüber dem Gehöft Hidding, jetzt Pans, lagen.

Bezüglich der Bestimmung des Alters unseres Lagers geben gerade diese Scherben uns nach meiner Ansicht ganz wertvolle Anhaltspunkte; denn diese Tonware, das Steingut, ist in unserer Gegend wohl nicht vor dem 15. Jahrhundert angefertigt worden. Um diese Zeit begann die Herstellung des Steinzeugs am Mittelrhein und zwar in der Gegend von Koblenz. Im Reformationszeitalter hatte es bereits eine solche Verbreitung gefunden, daß es das Geschirr der bürgerlichen und adeligen Haushaltungen Westfalens, des Niederrheins und der Niederlande geworden war. An mehreren Stellen dieser Länder bestanden bald nach dem 30 jährigen Kriege auch Töpfereien, die sich mit seiner Anfertigung beschäftigten. Das steht wohl im Allgemeinen geschichtlich fest. Dazu erzählten mir auch ältere Einwohner des Dorfes Erle, daß sie in der Nähe des Lagers noch 2 Töpfereien gekannt hätten. Von diesen habe die eine gewöhnliches Erdengeschirr, die andere aber dies bessere Geschirr - Steinzeug - angefertigt.
Unser Schluss hieraus liegt nahe. Die Söhne des Landadels waren die Offiziere der Heere der letzten Jahrhunderte. Sie hatten sich zu Haufe an dies Geschirr gewöhnt und mochten es nun im Felde nicht entbehren, falls sie es haben konnten. Und das war ja in Erle gerade möglich.
Der erste Krieg, für den man bei Erle an einem solchen Durchzug denken kann, ist wohl der 30 jährige, der letzte sicher der siebenjährige. Doch möchte ich zunächst an den 30 jährigen denken. Wurde doch Christian von Braunschweig 1623 auf dem Loner Bruche bei dem fast benachbarten Stadtlohn geschlagen. Wie leicht kann da nicht ein Herr auch mal dem trockenen Höhenrücken bei Erle gelagert haben. Vielleicht stellt ein Geschichtskundiger fest, welcher Feldherr dies in den letzten Jahrhunderten ausführte.
Wir untersuchten auch den Graben eines der großen umwallten Vierecke und fanden, daß er sehr schmal und seicht war. Er kann wohl nur als Begrenzung, aber wohl kaum als Schutz gedient haben.
Hiernach steht es archäologisch wohl sicher fest, daß die Wohngruben erst einige Jahrhunderte alt sind, und wahrscheinlich dürfte es sein, daß sie dem 30 jährigen Krieg angehören.
Nicht sicher ist das mit dem Wall und dem Graben der Fall, denn nicht alle Wohngruben liegen innerhalb des Walles. Es liegen vielmehr auch solche außerhalb desselben. In einer von denen, die außerhalb des Ostwalles liegen - vergl. die Zeichnung - fanden wir noch Steinzeug und andere Scherben. Daher können die Wohngruben dort schon gelegen haben, als Wall und Graben angelegt wurden. Es können Wall und Graben auch zuerst und dann später die Wohngruben angelegt worden sein. Wall, Graben und Wohngruben können auch zugleich angelegt sein. Mit einem Wort, da die Wohngruben nicht alle innerhalb des Walles, sondern auch zum Teile außerhalb desselben liegen, so kann die Spatenwissenschaft den Beweis, daß Wall und Graben einerseits und die Wohngruben andererseits unbedingt zusammengehören, d.h. zugleich angelegt sein müssen, nicht mit unbedingter Beweiskraft führen. Daher kann sie auch über das Alter des Walles und Grabens im Vergleich zu dem der Wohngruben wohl mit vieler Wahrscheinlichkeit die Altersgleichheit vermuten, aber nicht strenge beweisen.
Die wenigen Überreste von den irdenen Tonpfeifen, die sich auch in 2 Wohngruben fanden, beweisen für das Alter der Wohngruben noch, daß sie erst nach dem Bekanntwerden des Tabaks in hiesiger Gegend benutz worden sind.


Veröffentlicht gem. §64 UrhG.