Das goldene Priesterjubiläum des hochw. Herrn Dechanten P. Karthaus zu Erle bei Dorsten
von Hauptlehrer Heinrich Lammersmann 1924
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Die Erler wissen ihre Feste zu feiern. Allerdings haben sie auch Uebung darin, und Erfahrung macht weise. Von den acht Pfarrern, die nach der Reformation Erle betreut haben, konnten vier ihr goldenes Priesterjubiläum und sogar vier das diamantene Jubiläum begehen. So war nicht anders zu erwarten, als daß auch dieses Fest harmonisch schön verlief und eine liebe Erinnerung zurücklassen werde. Schon im Vorsommer hatte die Gemeinde einen Festausschuß aus allen Bauerschaften und dem Dorfe gewählt und ihn mit den Vorarbeiten betraut. Der Festausschuß ist seinen Aufgaben gerecht geworden. Zunächst wurde Geld gesammelt um dem Pfarrer an seinem Ehrentage eine hübsche Summer für die Ausbesserung des Kirchendaches überreichen zu können. Je näher der Tag kam, desto größer wurden die Arbeiten des Festausschusses. Der Weg von der Pastorat zur Kirche sollte eine Ehrenstraße sein und ist es auch geworden. Auf der Pastorat hatten die Bauerschaft Westrich und Overbeck herrliche Bögen und Guirlanden mit Fahnen, Blumen und Sprüchen errichtet. Beim Eingang ins Dorf hatte das Wall einen schönen, stilvollen Bogen mit einer goldenen 50 errichtet. Am Dorfbrunnen stand der Bogen von der Holzheide, etwas weiter der Bogen vom Platz und endlich am Kirchenportal der Dorferbogen. Die Zwischenräume waren mit Grün, Maien und Guirlanden geschmückt. Nirgendwo sah man eine vergessene Stelle. Für das Festessen und die Festversammlung am Abend war ein großes Zelt aufgestellt, nahe der Kaplanei. Die Ausschmückung desselben hatte die Bauerschaft Ostrich besorgt. Dort über den Tischen der Ehrengäste und des Jubilars waren Kränze von blühendem Heidekraut kronenartig angebracht. Die Kirche war außerordentlich feinsinnig im breiten Aufbau beim Altar mit lebenden Blumen geschmückt. Die Farbenstellung wirkte künstlerisch schön. Am Mittag schoben sich aus den Fenstern und Dächern die Fahnen heraus, und vom hohen Turm wallte die rot-weisse Flagge im linken West.

Da, um 3 Uhr, knallten die Böller. Die herrlichen Glocken stimmten ihren Festgesang an. Jedes Herz schlug höher, Feststimmung schwellte die Brust. Festlich geschmückte Kinder belebten das Dorf, denn um 5 Uhr war Gratulation durch den Kirchenvorstand, die kirchliche Gemeindevertretung, den Gemeindevorstand und darauf kamen die Schulklassen mit dem Lehrerkollegium, wünschten dem Jubilar Glück, sagten Gedichte auf, sangen ein Lied und überreichten dem Jubelpfarrer eine Garnitur Meßdienerkleidung. Nach den Kindern traten die Jungfrauen vor, auf einem Kissen eine goldene Krone tragend. In gebundener Rede wünschten sie Glück und Segen, dem Pfarrer einen neuen Chormantel und eine Altartuchspitze von hochfeiner Arbeit überreichend. Ein schön vorgetragenes Lied schloß die Gratulation. Die Jünglings-Sodalität überreichte als Festgeschenk ein Brevier und eine schöne lange Pfeife mit einem launigen poetischen Dialog. Mittlerweile kamen auch schon die fremden Ehrengäste und die Pastorat wurde immer lebendiger. 8 Uhr abends war Fackelzug, der bei Heßling auf dem Platze seinen Anfang nahm. Zwei mächtige große Fackeln mit Inschrift 1874-1924 und einer goldenen 50 darunter eröffneten den Zug, dann kam die Rehmann’sche Musikkapelle und die Schulkinder. Der gesamte Zug mochte wohl 300 Meter lang sein und sah untern den Bäumen außerordentlich schön aus, mit den leuchtenden Farben und verschiedenen Türmen. Er bewegte sich durchs Dorf um die Feme bis vor die Gartentür, unter deren Bogen der Jubilar mit seinen Festgästen stand. Nach und nach ballte sich der Fackelzug zu einem wogenden Meere unter den Edelkastanien. Der stellvertretende Vorsitzende gratulierte im Namen der Gemeinde, Lieder des Cäcilienchors wechselten mit Musikvorträgen ab. „Fest soll mein Taufbund immer stehen,“ scholl es mächtig und das Feuerwerk zischte Sterne und Raketen in die Luft. Ein Schlußwort, ein kräftiges dreifaches Hoch auf den Jubilar und die Musik setze sich in Bewegung in das Festzelt. Hier blieb man noch einige Zeit zusammen.

Der eigentliche Festtag, der 14. August, wurde durch den Donner der Böller und das Geläute der lieblich klingenden Glocken eingeleitet. Ehrengäste kamen aus allen Gegenden. Auch frühere Pfarrkinder strömten in Scharen herbei. Die Kirche füllte sich schon frühzeitig und konnte die Menge nicht fassen. Um 9.15 Ihr begaben sich die Engelchen, Schulkinder, die Kirchen- und Gemeindevertretungen und die Fahnendeputationen nach der Pastorat, um den Jubilar mit seinen Gästen im feierlichen Zuge abzuholen. Die Leute bildeten zu beiden Seiten des Weges Spalier. Als der Zug die Kirche erreichte, brauste die Orgel und die Geistlichkeit sang das „Beni creator Spiritus“. Dann begann das Levitenhochamt. Der Cäcilienchor trug eine vierstimmige Messe vor. Zum Schlusse ertönte aus allen Kehlen: „Großer Gott wir loben dich“. Nach kurzer Zeit wurde der Jubilar in die Pastorat begleitet, wo sich immer mehr Ehrengäste eingefunden hatten. Mittlerweile waren fleißige Hände tätig, die Festtafel im Zelt in vornehmer Weise mit Blumen und Zweiglein zu zieren. Punkt 12.30 Uhr begann das Festessen. Unter den Ehrengästen befand sich der hochwürdige Herr Domkapitular, Regens und Geistl. Rat Grewing aus Münster, der Kirchenpatron Herr Graf von Merveldt zu Lembeck, Herr Landrat Dr. Klausener aus Recklinghausen, Herr Amtmann Kuckelmann aus Wulfen und viele geistliche Herren, darunter der Jubilarpriester Dr. Liefen aus Mehr, im ganzen waren es 38 Ehrengäste mit den Verwandten des Jubilars. Am Festessen beteiligten sich auch die ganze Gemeinde und manche Auswärtigen, so daß das geräumige Zelt besetzt war. Das einfache Mahl wurde durch Tischreden und Musikvorträge verschönt. Am Abend 7.30 Uhr war eine Festversammlung aller Festgäste und Erler im Zelt. Was eben aus der Häuslichkeit abkommen konnte, eilte zum Festzelt. Nach kurzer Zeit waren schon die Plätze besetzt und immer strömten neue Scharen herein und füllten die Gänge. Ein flotter Festmarsch brachte gleich Feststimmung. Darauf wurde der Prolog mustergültig und schön vorgetragen. Es folgte dann die Begrüßungsansprache, Chorvorträge, Lieder auf den hl. Vater, auf den Jubilar und auf Erle wechselten mit Musikstücken und Ansprachen, so daß der Abend schnell und fröhlich dahinging und kein Teilnehmer an die eben stattfindende Mondfinsternis dachte. Als das schöne Fest endete, strahlte der Mond wieder im hellen Glanze, dienstbereit, den Erlern den Weg zu beleuchten. „Es war ein schönes Fest,“ hörte man allenthalben, das Liebe und Anhänglichkeit dem anspruchslosen Pfarrer und Dechanten bereiteten zum Danke für seine aufopfernde Tätigkeit.

„Herrgott im Himmel, wir bitten dich sehr, Dem Dechanten die Sechzig in Gnaden bescher.“

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Dieser Text wird mit freundlicher Genehmigung von Elisabeth und Julius Lammersmann hier gezeigt. Das berechtigt aber nicht zu der Annahme, das dieser im Sinne des Urheberrechts als frei zu betrachten sei und daher von jedermann benutzt werden dürfe. Alle Rechte liegen weiterhin bei den Erben von Heinrich Lammersmann.