Landdechant Peter Karthaus
von Hauptlehrer Heinrich Lammersmann 1929
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Wenn eine teure, uns nahestehende Seele vom Schöpfer heimgerufen wird, dann steht das Leben eine Zeitlang still. Nach und nach erst treiben die alltäglichen Sorgen die Hinterbliebenen in die alte Bahn zurück. So war es auch in Erle, als am 4. November 1927 die Totenglocke zur Vesperzeit verkündete, daß ihr Pastor soeben verschieden sei. Wußte man auch, daß die Aerzte keine Hoffnung auf Besserung geben konnten und daß der Herr Pastor schwer litt, man wollte doch niemals die Hoffnung aufgeben, den geliebten Pfarrer wieder im Dienste des Herrn zu sehen. Die Klage der Totenglocke riß auch die letzte schwache Hoffnung aus dem Herzen und feuchtete die Augen vieler Pfarrkinder und brachte über viel Lippen: „Herr, gib ihm die ewige Ruhe!“.

Dechant Karthaus gehörte in seiner ganzen Wirksamkeit der Herrlichkeit. Aus seiner Jugendzeit erfuhr man aus seinem Munde nur sehr selten etwas. Der ehrwürdigen Klosterfrau, Schwester Aquina zu Heythuysen, eine Schwester des verstorbenen Dechanten, verdanke ich folgende Mitteilungen. Dechant Karthaus wurde als zweites Kind seiner Eltern, Ferdinand Karthaus und seiner Gemahlin Maria, geborene Melchers, in Soerabaja in Ostindien geboren am 29. Dezember 1850. Die Mutter war eine Schwester des Erzbischofes von Köln und Kardinal Paulus Melchers. In ihrer Willensstärke und Selbstbeherrschung war sie dem Verstorbenen ein Vorbild im ganzen Leben. Der Vater war Kaufmann und hatte ein weicheres Gemüt. Als Peter geboren wurde, gab es in Ostindien nur wenige Priester. Er wurde von einem chinesischen Priester getauft, so daß sein Taufschein chinesisch geschrieben war. Dies machte ihm bei seiner Priesterweihe einige Schwierigkeiten. Der Taufschein mußte nach Berlin, um von einem Dolmetscher übersetzt und als echt anerkannt zu werden. Da die Mutter zur Zeit der Geburt äußerst schwach war, bekam er ausnahmsweise eine javanesische Amme, die wie damals alle Javaner eine Mohammedanerin war. Peter hat öfter gefragt; „Ich bete wohl mal für die gute Frau und hoffe, daß sie nicht verloren gegangen ist.“

Als Peter 4 Jahre alt war, kehrten die Eltern nach Europa zurück und ließen sich nach einem kurzen Aufenthalt in Delden (Holland), wo ihnen noch ein Sohn geboren wurde, in Münster i.W. nieder. Da hat Peter also seine Jugendzeit verbracht; dort besuchte er auch die Schule und das Gymnasium. Nach vollendetem Studium trat er in Münster in das Priesterseminar ein, eben bevor seine Eltern nach Ostindien zurückkehrten. In Münster waren ihnen noch 6 Kinder geboren. Mit Peter, der damals 17 Jahre alt war, ließen die Eltern bei ihrer Abreise nach Java noch zwei Knaben im Knabenpensionat zu Schaepen zurück. „Ich (Schwester Aquina) war damals 7 Jahre alt und weiß von der Jugend meines Bruders nur, daß er sehr fromm war und am St. Nicolausfest für seine kleinen Geschwister mal als „Heiliger Mann“ aufgetreten ist, wie das in Holland üblich ist. Wir waren ja halbe Holländer. Die Mutter sprach am liebsten holländisch und correspondierte auch in dieser Sprache mit meinem Bruder Peter, der wohl holländisch verstand, es aber nicht sprechen konnte.“

Mitte Oktober 1868 traten die Eltern und kleineren Kinder mit dem Segelschiffe „Cornelis-Bernard-Eduard“ die große Reise um das Cap der guten Hoffnung nach Java an, wo sie nach ungefähr 90 Tagen später landeten.
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Dechant Peter Karthaus
Karte von Soerabaja von 1897
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Der Bruder hat seine lieben Eltern nie zurückkehren gesehen. (Beim Abschiede an Bord des Schiffes hat der Vater geweint, während die Mutter sich so tapfer beherrschte, daß sie keine Träne vergoß, um den Kindern die Trennung von der Familie nicht zu erschweren. „Als sie sich allein sah, hat sie umsomehr geweint“, erzählte der Dechant.)

Nach der Priesterweihe, die er weit von seinen Lieben am 9. August 1874 in Münster feierte, konnte er keine Anstellung bekommen, der Kulturkampf war eben auf der ganzen Front entbrannt. Der Neupriester nahm nun eine Stelle als Hauslehrer in der Familie Tüshaus zu Sölten-Wulfen an, um einstweilen ein Unterkommen zu finden. Da schrieb der Vater ihm, der Bischof von Batavia könnte ihn gut brauchen, er solle nur nach Java kommen. Als er dies seinem Bischof (Johann Bernard Brinkmann) vorstellte und um Erlaubnis bat, antwortete dieser: „Karthaus, werde mir kein Kartenhaus! Was würde ich anfangen nach dem Kulturkampfe, wenn alle meine Priester anderswo hingingen?“ – Wenn er seinem Herzen gefolgt wäre, so wäre er sicher gerne nach Indien gegangen, einerseits, um seine lieben Eltern wieder zu sehen, anderseits, weil in der Zeit der Mangel an Priestern in seiner alten Heimat sehr groß war. Er ist aber geblieben, dem Wunsche seines Bischofs folgend und die ganze Kraft dieses ausgezeichneten, seeleneifrigen Priesters verblieb in der Herrlichkeit.

Anfangs April 1877 hegte er die Hoffnung, seine liebe Mutter wiederzusehen. Wegen einer hartnäckigen Krankheit kehrte sie nach Europa zurück und wollte den Gnadenort Lourdes besuchen und dann die Kinder wiedersehen. Zum größten Schmerze der letzteren starb sie 10 Tage vor der Ankunft auf dem Meere zwischen Gibraltar und Neapel und wurde ins Meer versenkt. Auch den lieben Vater, der im Oktober 1894 auf Java starb, hat er niht wiedergesehen. Die jüngste Schwester, die in Indien geboren und gestorben ist, hat er nie gekannt. Die älteren Brüder und Schwestern, die in Indien verheiratet waren, kamen nach längeren Zeiträumen wohl auf ein Jahr nach Eurpoa und machten dann Besuch.

Im Jahre 1878 kam seine Schwester (die jetzige Klosterfrau Aquina in Heythuysen) nach Europa, um dort zu studieren und ein holländisches Examen zu machen. In den Ferien besuchte sie den Bruder in Lembeck. Er arbeitet wie ein Kaplan in Lembeck, hieß aber wegen des Kulturkampfes „Hauskaplan des Grafen von Merveldt“. Wenn ein Freund ihm berichtete, ein Herr aus Münster von der Regierung sei auf dem Weg nach Lembeck, dann verschwand er aus dem Pfarrhause und streifte den ganzen Tag durch die Wälder, bis die Gefahr vorrüber war. Als die Schwester 1881 in den Orden eintrat, hörten diese Besuche auf. Karthaus besuchte nun alljährlich die Ordensschwester auf kurze Zeit. Im Weltkriege war es unmöglich; nach demselben aber machte er die Reise wieder im Anschluß an die Exerzitien alljährlich.

Am 4. August 1887, am Feste des hl. Dominikus, trat P. Karthaus als Corperator des vom Alter gebrochenen Pfarrers Ant. Nonhoff, sein Amt in Erle bei Dorsten an. Pfarrer Nonhoff hatte den Bau der Kirche vollendet, die innere würdige Ausstattung war kaum begonnen. Der Flurbelag waren Backsteine. Gleich im August wurde der Flurbelag auf dem Chore aus Metlacher Platten hergestellt und ein neuer Taufbrunnen angeschafft. In der Sakristei fand ein neuer Paramentenschrank Aufstellung. Am 20. August hielt der Bekennerbischof Johann Bernard Kirchenvisitation ab, und am 19. Oktober 1887 wurde die Kirche durch den hochwürdigsten Weihbischof Cramer konsekriert. Zu dieser hohen Feier waren außerordentlich viele Gäste erschienen, auch die gräfliche Familie von Merveldt und die Geistlichen der Herrlichkeit.

Zum ersten Male wurde eine Messe aus dem römischen Ordinarium missae beim Gottesdienst vorgetragen. Die Paramente, die während des Kirchenbaus in der Notkirche arg gelitten hatten, wurden mit Hilfe der alten Gräfin von Merveldt geb. v. Ketteler und der Comtesse Sophie von Merveldt teils erneuert, teils ausgebessert. Die auf Kupfer gemalten Engel an der Innenseite der Tabernakeltüren wurden gemalt und geschenkt von einer Freifrau von Ketteler (der Mutter des in China gemordeten Gesandten). Im Jahre 1888 wurde zum ersten Male das 40 stündige Gebet auf Fastnacht unter vieler Feierlichkeit gehalten. Es wurden zu diesem Feste 6 Leuchter und zwei dreiarmige Leuchter für den Hochaltar geschenkt sowie ein seidenes Velum und ein halbseidenes Pluviale. Zu Ostern 1889 wurde ein diebesfester Tabernakelaufsatz und ein eiserner Kelchschrank in der Sakristei beschafft. Zu Weihnachten des Jahres 1888 wurde eine neue Krippe aufgestellt; allerdings vorläufig nur der Stall, die Krippe, das Jesuskind und Maria und Joseph. Eine bessere Beleuchtung wurde durch Petroleumlampen gebracht.

Im Jahre 1888 wurde der Herz-Jesu-Altar aufgestellt. Derselbe war nach eine Zeichnung von Architekt Hilger Hertel vom hiesigen Schreinermeister H. Heidermann angefertigt und von Kiefmann geschenkt worden. Am Herz-Jesu-Fest desselben Jahres wurde die Herz-Jesu-Bruderschaft eingeführt. Zu Weihnachten 1888 kam auf das Postament für die Sodalenstatue der Mutter Gottes an, ebenso eine geschnitzte Kniebank, die auf dem Chore ihren Platz fand.

Im Sommer 1889 wurde eifrig gesammelt für eine neue Orgel, die zum 60 jährigen Priesterjubiläum des Pfarrers Nonhoff aufgestellt werden sollte. Die Krippe wurde Weihnachten durch zwei Hirtenfiguren und eine Grotte aus Baumrinde ergänzt.

Am zweiten Sonntage nach Ostern 1890 erkrankte der hochbetagte Pfarrer Nonhoff und blieb seit dieser Zeit invalide.

Am 30. September firmte der hochwürdigste Bischof Hermann 98 Kinder zu Altschermbeck. Zu dieser Feier war ein schönes Prozessionskreuz und zwei schöne Kinderfahnen angeschafft. Des Nachmittags besuchte der hochwürdige Herr Bischof auch Erle. Im Oktober 1890 erhielten wir eine schwarze Fahne aus einem früheren seidenen Meßgewande. Im November desselben Jahres schenkte die Oberin des Klosters zu Heythuysen einen fünfarmigen Leuchter, der seinen Platz vor dem Herz-Jesu-Bilde fand. Am 11. Dezember wurde das von Pfarrer Nonhoff geschenkte, gemalte Chorfenster (Maria Verkündigung) eingesetzt. Zu gleicher Zeit wurde die neue Orgel in der Kirche aufgestellt. Sie war vom Orgelbauer Franz Breil in Dorsten angefertigt und kostete 4120,50 Mark. Der Prospekt kostete 840 Mark.

Am 18. Dezember feierte die Gemeinde das 60 jährige Priesterjubiläum des Pfarrers Nonhoff, der seit 47 Jahren mit großem Seeleneifer seiner Gemeinde vorgestanden hatte. Am Vorabend und am Festtage verkündeten feierliches Glockengeläute und Böllerschüsse der Umgegend die hohe, seltene Feier. Am Tage vorher kamen die Kinder, um dem Jubilar zu gratulieren. Des Abends brachten die Sodalen ein ein Ständchen Vor der Pastorat hatte die Westrich einen schönen Bogen errichtet und einen Spruch in die Tür gehängt. Am Tage selbst wurde ein Levitenamt gehalten, und die Festpredigt, worin er über die Würde und den Segen des Priestertums sprach. Am Schlusse wurde gesungen „Großer Gott wir loben dich!“ Zum ersten Male wurde die neue Orgel gespielt. Nachher fand die Gratulation in der Pastorat statt. Der Herr Pastor konnte der kirchlichen Feier nicht beiwohnen. Wegen des leidenden Zustandes fand auch keine bürgerliche Feier statt. Ein kleines Festmahl vereinigte die Geistlichen der Umgegend.

Im Jahre 1891 wurden am Chor die Fenster „Die Rosenkranzkönigin“ und die „Wiederauffindung im Tempel“ eingesetzt; ersteres war ein Geschenk des Vikars Segbers, letzteres der Eheleute Klaus.

Am 8. Oktober verschied der gute Pfarrer Nonhoff. Seit 1 ½ Jahren war er schwer leidend. Fast täglich empfing er die hl. Sakramente. Am Ende gesellte sich zu den Körperleiden Geistesumnachtung. Er war 86 Jahre alt. Was während der letzten Jahre der damalige Coperator Karthaus dem alten Herrn gewesen ist, das läßt sich nicht niederschreiben. Immer und immer wieder wurde er verlangt, und daneben stand er ganz allein in der Pfarre als Seelsorger und Hirt. Unermüdlich schaffte und wirkte er, jede Stunde benutzend. Mit einem Feuereifer war darauf bedacht, das neue Gotteshaus würdig auszustatten und seine Gemeinde weiterzuführen, wie es die Jahre 1887-1891 schon beweisen. Als am 29. November 1891 die Nachricht eintraf, unser Kaplan sei zum Pfarrer ernannt, da brach die Freude los. Noch ehe der neue Pfarrer von Münster heimgekehrt war, läuteten die Glocken und knallten die Böller. Als der neue Pfarrer sich ahnungslos seinem Wirkungskreise näherte, war er sehr erstaunt, da er doch erst vor wenigen Stunden seine Ernennung aus dem Munde seines Bischofs vernommen hatte, und nun grüßten ihn schon die Glocken, die Böller, der Kirchenvorstand und viele Leute als den neuen Pastor. Der Draht hatte ihm den Streich gespielt und ein guter Freund in Münster.

Am 15. Dezember 1891 war die feierliche Einführung durch den Herrn Landdechanten Lorenz von Dorsten. Die Gemeinde hatte alles aufgeboten, um diesen Tag so festlich wie möglich zu machen. Der Weg auf der Feme zur Pastorat war mit Fähnchen und Bögen geziert. Auch das Dorf und besonders die Kirche waren prächtig geschmückt. Des Abends war Fackelzug. Der Weg auf der Feme, die Edelkastanienallee, die Femeiche und besonders das Pfarrhaus waren illuminiert. Bei der alten Eiche wurde ein schönes Feuerwerk abgebrannt. Das Wetter war äußerst milde und windstill, so daß sich alles recht schön entfalten konnte. Dies schöne Fest, das eine 36 jährige eifrige Hirtentätigkeit einleitete, ist noch gewiß allen denen im Gedächtnis, die es miterlebt haben.

Es würde zu weit führen, wollte ich auch nur ansatzweise schreiben, was der junge Pastor in Erle wirkte. Mit wenigen Angaben muß ich mich begnügen. Im Jahre 1892 wurde das hundertjährige Pfarrhaus gründlich restauriert. Im selben Jahre wurde das Triumphkreuz im Chorbogen angeschafft. Im Mai 1893 wurde der Verein von der hl. Familie eingeführt. Im Herbste desselben Jahres reist der junge Pastor nach Rom, hatte Audienz beim Hl. Vater Leo XIII. und brachte eine Reliquie vom hl. Sylvester für seine Kirche mit. Das silberne Krankenkreuz wurde umgearbeitet und enthält jetzt diese Reliquie. Nach längerem Aufenthalt in Rom bei seinem Onkel, dem Kardinal Paulus Melchers, kehrte er mit noch anderen Reliquien, die in einem Reliquiarium Platz gefunden haben, in seine Pfarre heim. Im Jahre 1894 leitete Pastor Karthaus die sehr schwierige Ablösung aller Renten der Pastorat, Küsterei und Kirche ein. Diese bittere Arbeit zog sich bis in das Jahr 1895 hinein. Im September 1894 wurde ein gotisches Tiborium angeschafft. Am 8. Dezember wurde das Bild der immerwährenden Hilfe bei Gelegenheit einer Mission feierlich der Verehrung übergeben. Die Andacht zur immerwährenden Hilfe fand in der Gemeinde einen solchen Anklang, daß der Pastor sehr zufrieden war. 1895 erbat und erhielt er die Vollmacht, an jedem Herz-Jesu-Freitage nach der hl. Messe den Segen zu geben. Der Kerzenstock vor dem Bilde der immerwährenden Hilfe und der Aufsatz auf dem Muttergottes-Altar wurden im selben Jahre nach der Zeichnung von Architekt B. Hertel angeschafft; sodann wurde die Bruderschaft von der ewigen Anbetung eingeführt. Zum Feste der hl. Dreikönige 1896 wurden die Bilder der hl.Dreikönige geschenkt. Im Februar wurde ein Taufsteingitter in Münster nach der Zeichnung von B. Hertel angefertigt. Zwei Wandarme für das ewige Licht wurden angeschafft und das Gotteshaus durch den Kirchenmaler Schräder aus Münster dekoriert für 4000 Mark. Am 8. Dezember wurde die Rosenkranzbruderschaft feierlich eingeführt und eine Rosenkranzfahne für 300 Mk. geschenkt. 1898 wurde ein Heiligenhäuschen mit der schmerzhaften Mutter Gottes bei Tellmann-Kuhlmann aufgestellt. Am 8. September wurde der Mütter-Verein eingeführt und eine Mutter-Anna-Fahne für 425 Mk. gekauft. Auch der neue Credenztisch kam auf das Chor. Zu Weihnachten wurde der neue Teppich zum ersten Male ebraucht. Im Jahre 1899 wurde das silberne Priesterjubiläum gefeiert und ein schönes weißes Meßgewand mit rotem Kreuz beschafft. Nach 26 Jahren wurde durch den hochwürdigen Weihbischof Maximilian von Galen wieder in Erle gefirmt am 14. August 1900. Zu Pfingsten 1903 wurde die neue Turmuhr aufgestellt. Sie kostete 1675 Mark und war von Vortmann in Recklinghausen geliefert. Im Herbste desselben Jahres wurde die Umgebung der Kirche entwässert und gepflastert. Die Statuen des hl. Sylvester und Ludgerus am Turmportal kamen 1907. Für die wichtigsten Akten und wertvollen Gegenstände wurde auch im Pfarrhause ein feuer- und diebessicherer Panzerschrank beschafft. Um den Hochaltar in der Kirche wurden die Wände bis zu den Fenstern mit schön gemusterten Metlacher Platten für 844 Mark belegt. Die Statue des hl. Josef wurde im Jahre 1912 angeschafft, ebenso die Weihwasserbecken.

Im Laufe des Jahres 1913 erkrankte der Pfarrer ernstlich und mußte sich in Münster einer nicht ungefährlichen Operation unterziehen. Der hochwürdige Bischof besuchte ihn und teilte ihm mit, daß er ihm in der Person des Seminarpriesters Anton Berning aus Holthausen einen Kaplan gegeben habe. Bisher hatte der Pfarrer Karthaus ganz alleine gestanden. Unermüdlich war er tätig im Beichtstuhl, am Altare, auf der Kanzel und in der Schule. Noch vor dem Morgenglocke öffnete er die Kirche und stand seinen Beichtkindern zur Verfügung, und wenn die Abendglocken längst verklungen waren, kniete er in Andacht noch lange vor dem Tabernakel. Aushilfe nahm er nur wenig. Eine Erkältung oder Heiserkeit zwangen ihn nicht nieder; das Wort Schonung stand nicht in seinem Wörterbuche. Die Kranken lagen ihm besonders am Herzen; fast täglich besuchte er sie und scheute keine weiten Wege. Wenn auch der Kaplan mache Arbeit übernahm, so arbeitet er umso intensiver. 1914 hatte er den Bau der neuen Kaplanei für 9500 Mark vollendet, als der Krieg die Seelsorgearbeit verdoppelte. Im Januar 1916 wurde er zum Dechanten des Dekanates Dorsten ernannt. Daß er auch diese Amt mit der größten Pünktlichkeit versah, ist wohl selbstverständlich.

Am 29. November 1916 feierte die Gemeinde das silberne Pfarrjubiläum. Die Kriegsnot drückte zwar das Fest, doch war eine Feier innerhalb der Gemeinde, an die sich noch mancher Erler oft und gerne erinnert. Für kirchliche Zwecke wurden dem Jubilar 4229 Mk. überreicht. Außerdem schenkten die Jungfrauen ein Meßgewandt, die Jünglinge eine Stola, die Kinder eine Albe, Kaplan und Lehrkollegium ein Roschett mit Klöppelspitze. Pfarrer Karthaus stiftete zum Gedächtnis dieses Tages ein Hochamt für die gefallenen Krieger und ein Kreuz für den neuen Kirchhof.

Die Glockenstube unseres neuen Turmes war fast leer geworden. Wir mußten die größte und kleinste Glocke dem Weltkriege opfern. Nach manchen Enttäuschungen brachte Dechant Karthaus es fertig, das zu Weihnachten 1923 drei größere, harmonisch abgestimmte, neue Bronzeglocken durch die Gemeinde klangen und Anteil nahmen an Freund und Leid. Die Glocken kosteten 3503 Gulden und die Montage 1279 Goldmark.

Wie sehr der Herr Dechant die Liebe, Verehrung und Anhänglichkeit seiner Pfarrkinder besaß, das zeigte so recht das goldene Priesterjubiläum, das am 13. und 14. August 1924 gefeiert wurde. Der Kirchenpatron Herr Graf von Merveldt, der Herr Landrat Dr. Klausener von Recklinghausen, Herr Regens Grewing von Münster und Bürgermeister Kuckelmann, sowie 34 Geistliche waren anwesend. Nach der kirchlichen Feier versammelten sich zum Festmahle im eigens dazu aufgestellten Festzelte nicht nur die Erler Frauen und Männer, sondern auch viele, die aus Erle vor vielen Jahren weggezogen waren. Es drängte sie alle, dem Jubelgreis ihre Verehrung zu bringen an seinem Ehrentage. Schöner und würdiger hat Erle nie ein Fest gefeiert. Unvergeßlich ist es allen Teilnehmern. Außer anderen Geschenken hatte die Gemeinde dem Dechanten eine Summe Geldes zur freien Verfügung überreicht. Sofort benutzte er diese, um das Dach der Kirche für 8500 Mark ausbessern zu lassen.

Im Jahre 126 hatte der Dechant eine große Eile, den schon vor vielen Jahren angekauften Friedhof einzuteilen, einzufriedigen und zur Benutzung fertig zu machen. Am 14. November weihte er denselben ein und hielt unter dem neuen Kreuze bei stürmischem Wetter die Predigt unter dem Vorspruch: „Hier werde ich begraben werden, hier werde ich auferstehen!“

War es eine Ahnung? Genau ein später sollte sich das seine Gruft zu Füßen des Gekreuzigten öffnen, seinen Leib aufzunehmen. Durch den Winter 1926/27 arbeitete er mit voller Energie. Auch im Sommer 1927 versah er seine Obliegenheiten noch voll und ganz, doch fiel sein Körper immer mehr zusammen und konnte dem starken Willen nicht mehr gehorchen. Ein böses Magenleiden brachte den Kräfteverfall. Am Rosenkranzfest 1927 versah der Dechant noch seinen Dienst und hielt auch die Predigt noch. Dann aber mußte er das Bett hüten und litt große Schmerzen. Bei Besuchen sprach er mit Anstrengung, hoffte aber doch, bald wieder das hl. Meßopfer darbringen zu können. Der Herr über Leben und Tod hatte es jedoch anders beschlossen. Am 4. November 1927, einem Herz-Jesu-Freitage, rief er seinen Arbeiter aus dem Weinberge, um ihm seinen Lohn zu geben. Mit dem dumpfen Totengeläute überfiel tiefe Trauer seine Gemeinde und alle, die ihn kannten. Unermüdlich hat er Großes geschaffen in den Seelen und im Gotteshause; noch viel Größeres hat er getan, ohne es bekannt werden zu lassen. Schön und sehr richtig sagt sein Totenzettel: „Ein eifriger Priester in Kriche, Schule und Gemeinde. Ein Mann des Gebetes. Ein Vorbild allen.“

Herr, gib ihm die ewige Ruhe!

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Dieser Text wird mit freundlicher Genehmigung von Elisabeth und Julius Lammersmann hier gezeigt. Das berechtigt aber nicht zu der Annahme, das dieser im Sinne des Urheberrechts als frei zu betrachten sei und daher von jedermann benutzt werden dürfe. Alle Rechte liegen weiterhin bei den Erben von Heinrich Lammersmann.