Landdechant Peter
Karthaus von Hauptlehrer Heinrich Lammersmann 1929
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Wenn eine
teure, uns nahestehende Seele vom Schöpfer heimgerufen wird, dann steht das
Leben eine Zeitlang still. Nach und nach erst treiben die alltäglichen Sorgen
die Hinterbliebenen in die alte Bahn zurück. So war es auch in Erle, als am
4. November 1927 die Totenglocke zur Vesperzeit verkündete, daß ihr Pastor
soeben verschieden sei. Wußte man auch, daß die Aerzte keine Hoffnung auf
Besserung geben konnten und daß der Herr Pastor schwer litt, man wollte doch
niemals die Hoffnung aufgeben, den geliebten Pfarrer wieder im Dienste des
Herrn zu sehen. Die Klage der Totenglocke riß auch die letzte schwache
Hoffnung aus dem Herzen und feuchtete die Augen vieler Pfarrkinder und brachte
über viel Lippen: „Herr, gib ihm die ewige Ruhe!“.
Dechant Karthaus gehörte in seiner ganzen Wirksamkeit der Herrlichkeit. Aus
seiner Jugendzeit erfuhr man aus seinem Munde nur sehr selten etwas. Der
ehrwürdigen Klosterfrau, Schwester Aquina zu Heythuysen, eine Schwester des
verstorbenen Dechanten, verdanke ich folgende Mitteilungen. Dechant Karthaus
wurde als zweites Kind seiner Eltern, Ferdinand Karthaus und seiner Gemahlin
Maria, geborene Melchers, in Soerabaja in Ostindien geboren am 29. Dezember
1850. Die Mutter war eine Schwester des Erzbischofes von Köln und Kardinal
Paulus Melchers. In ihrer Willensstärke und Selbstbeherrschung war sie dem
Verstorbenen ein Vorbild im ganzen Leben. Der Vater war Kaufmann und hatte ein
weicheres Gemüt. Als Peter geboren wurde, gab es in Ostindien nur wenige
Priester. Er wurde von einem chinesischen Priester getauft, so daß sein
Taufschein chinesisch geschrieben war. Dies machte ihm bei seiner
Priesterweihe einige Schwierigkeiten. Der Taufschein mußte nach Berlin, um
von einem Dolmetscher übersetzt und als echt anerkannt zu werden. Da die
Mutter zur Zeit der Geburt äußerst schwach war, bekam er ausnahmsweise eine
javanesische Amme, die wie damals alle Javaner eine Mohammedanerin war. Peter
hat öfter gefragt; „Ich bete wohl mal für die gute Frau und hoffe, daß
sie nicht verloren gegangen ist.“
Als Peter 4 Jahre alt war, kehrten die Eltern nach Europa zurück und ließen
sich nach einem kurzen Aufenthalt in Delden (Holland), wo ihnen noch ein Sohn
geboren wurde, in Münster i.W. nieder. Da hat Peter also seine Jugendzeit
verbracht; dort besuchte er auch die Schule und das Gymnasium. Nach
vollendetem Studium trat er in Münster in das Priesterseminar ein, eben bevor
seine Eltern nach Ostindien zurückkehrten. In Münster waren ihnen noch 6
Kinder geboren. Mit Peter, der damals 17 Jahre alt war, ließen die Eltern bei
ihrer Abreise nach Java noch zwei Knaben im Knabenpensionat zu Schaepen
zurück. „Ich (Schwester Aquina) war damals 7 Jahre alt und weiß von der
Jugend meines Bruders nur, daß er sehr fromm war und am St. Nicolausfest für
seine kleinen Geschwister mal als „Heiliger Mann“ aufgetreten ist, wie das
in Holland üblich ist. Wir waren ja halbe Holländer. Die Mutter sprach am
liebsten holländisch und correspondierte auch in dieser Sprache mit meinem
Bruder Peter, der wohl holländisch verstand, es aber nicht sprechen konnte.“
Mitte Oktober 1868 traten die Eltern und kleineren Kinder mit dem Segelschiffe
„Cornelis-Bernard-Eduard“ die große Reise um das Cap der guten Hoffnung
nach Java an, wo sie nach ungefähr 90 Tagen später landeten.
Der Bruder
hat seine lieben Eltern nie zurückkehren gesehen. (Beim Abschiede an Bord des
Schiffes hat der Vater geweint, während die Mutter sich so tapfer
beherrschte, daß sie keine Träne vergoß, um den Kindern die Trennung von
der Familie nicht zu erschweren. „Als sie sich allein sah, hat sie umsomehr
geweint“, erzählte der Dechant.)
Nach der Priesterweihe, die er weit von seinen Lieben am 9. August 1874 in
Münster feierte, konnte er keine Anstellung bekommen, der Kulturkampf war
eben auf der ganzen Front entbrannt. Der Neupriester nahm nun eine Stelle als
Hauslehrer in der Familie Tüshaus zu Sölten-Wulfen an, um einstweilen ein
Unterkommen zu finden. Da schrieb der Vater ihm, der Bischof von Batavia
könnte ihn gut brauchen, er solle nur nach Java kommen. Als er dies seinem
Bischof (Johann Bernard Brinkmann) vorstellte und um Erlaubnis bat, antwortete
dieser: „Karthaus, werde mir kein Kartenhaus! Was würde ich anfangen nach
dem Kulturkampfe, wenn alle meine Priester anderswo hingingen?“ – Wenn er
seinem Herzen gefolgt wäre, so wäre er sicher gerne nach Indien gegangen,
einerseits, um seine lieben Eltern wieder zu sehen, anderseits, weil in der
Zeit der Mangel an Priestern in seiner alten Heimat sehr groß war. Er ist
aber geblieben, dem Wunsche seines Bischofs folgend und die ganze Kraft dieses
ausgezeichneten, seeleneifrigen Priesters verblieb in der Herrlichkeit.
Anfangs April 1877 hegte er die Hoffnung, seine liebe Mutter wiederzusehen.
Wegen einer hartnäckigen Krankheit kehrte sie nach Europa zurück und wollte
den Gnadenort Lourdes besuchen und dann die Kinder wiedersehen. Zum größten
Schmerze der letzteren starb sie 10 Tage vor der Ankunft auf dem Meere
zwischen Gibraltar und Neapel und wurde ins Meer versenkt. Auch den lieben
Vater, der im Oktober 1894 auf Java starb, hat er niht wiedergesehen. Die
jüngste Schwester, die in Indien geboren und gestorben ist, hat er nie
gekannt. Die älteren Brüder und Schwestern, die in Indien verheiratet waren,
kamen nach längeren Zeiträumen wohl auf ein Jahr nach Eurpoa und machten
dann Besuch.
Im Jahre 1878 kam seine Schwester (die jetzige Klosterfrau Aquina in
Heythuysen) nach Europa, um dort zu studieren und ein holländisches Examen zu
machen. In den Ferien besuchte sie den Bruder in Lembeck. Er arbeitet wie ein
Kaplan in Lembeck, hieß aber wegen des Kulturkampfes „Hauskaplan des Grafen
von Merveldt“. Wenn ein Freund ihm berichtete, ein Herr aus Münster von der
Regierung sei auf dem Weg nach Lembeck, dann verschwand er aus dem Pfarrhause
und streifte den ganzen Tag durch die Wälder, bis die Gefahr vorrüber war.
Als die Schwester 1881 in den Orden eintrat, hörten diese Besuche auf.
Karthaus besuchte nun alljährlich die Ordensschwester auf kurze Zeit. Im
Weltkriege war es unmöglich; nach demselben aber machte er die Reise wieder
im Anschluß an die Exerzitien alljährlich.
Am 4. August 1887, am Feste des hl. Dominikus, trat P. Karthaus als Corperator
des vom Alter gebrochenen Pfarrers Ant. Nonhoff, sein Amt in Erle bei Dorsten
an. Pfarrer Nonhoff hatte den Bau der Kirche vollendet, die innere würdige
Ausstattung war kaum begonnen. Der Flurbelag waren Backsteine. Gleich im
August wurde der Flurbelag auf dem Chore aus Metlacher Platten hergestellt und
ein neuer Taufbrunnen angeschafft. In der Sakristei fand ein neuer
Paramentenschrank Aufstellung. Am 20. August hielt der Bekennerbischof Johann
Bernard Kirchenvisitation ab, und am 19. Oktober 1887 wurde die Kirche durch
den hochwürdigsten Weihbischof Cramer konsekriert. Zu dieser hohen Feier
waren außerordentlich viele Gäste erschienen, auch die gräfliche Familie
von Merveldt und die Geistlichen der Herrlichkeit.
Zum ersten Male wurde eine Messe aus dem römischen Ordinarium
missae beim Gottesdienst vorgetragen. Die Paramente, die während des
Kirchenbaus in der Notkirche arg gelitten hatten, wurden mit Hilfe der alten
Gräfin von Merveldt geb. v. Ketteler und der Comtesse Sophie von Merveldt
teils erneuert, teils ausgebessert. Die auf Kupfer gemalten Engel an der
Innenseite der Tabernakeltüren wurden gemalt und geschenkt von einer Freifrau
von Ketteler (der Mutter des in China gemordeten Gesandten). Im Jahre 1888
wurde zum ersten Male das 40 stündige Gebet auf Fastnacht unter vieler
Feierlichkeit gehalten. Es wurden zu diesem Feste 6 Leuchter und zwei
dreiarmige Leuchter für den Hochaltar geschenkt sowie ein seidenes Velum und
ein halbseidenes Pluviale. Zu Ostern 1889 wurde ein diebesfester
Tabernakelaufsatz und ein eiserner Kelchschrank in der Sakristei beschafft. Zu
Weihnachten des Jahres 1888 wurde eine neue Krippe aufgestellt; allerdings
vorläufig nur der Stall, die Krippe, das Jesuskind und Maria und Joseph. Eine
bessere Beleuchtung wurde durch Petroleumlampen gebracht.
Im Jahre 1888 wurde der Herz-Jesu-Altar aufgestellt. Derselbe war nach eine
Zeichnung von Architekt Hilger Hertel vom hiesigen Schreinermeister H.
Heidermann angefertigt und von Kiefmann geschenkt worden. Am Herz-Jesu-Fest
desselben Jahres wurde die Herz-Jesu-Bruderschaft eingeführt. Zu Weihnachten
1888 kam auf das Postament für die Sodalenstatue der Mutter Gottes an, ebenso
eine geschnitzte Kniebank, die auf dem Chore ihren Platz fand.
Im Sommer 1889 wurde eifrig gesammelt für eine neue Orgel, die zum 60
jährigen Priesterjubiläum des Pfarrers Nonhoff aufgestellt werden sollte.
Die Krippe wurde Weihnachten durch zwei Hirtenfiguren und eine Grotte aus
Baumrinde ergänzt.
Am zweiten Sonntage nach Ostern 1890 erkrankte der hochbetagte Pfarrer Nonhoff
und blieb seit dieser Zeit invalide.
Am 30. September firmte der hochwürdigste Bischof Hermann 98 Kinder zu
Altschermbeck. Zu dieser Feier war ein schönes Prozessionskreuz und zwei
schöne Kinderfahnen angeschafft. Des Nachmittags besuchte der hochwürdige
Herr Bischof auch Erle. Im Oktober 1890 erhielten wir eine schwarze Fahne aus
einem früheren seidenen Meßgewande. Im November desselben Jahres schenkte
die Oberin des Klosters zu Heythuysen einen fünfarmigen Leuchter, der seinen
Platz vor dem Herz-Jesu-Bilde fand. Am 11. Dezember wurde das von Pfarrer
Nonhoff geschenkte, gemalte Chorfenster (Maria Verkündigung) eingesetzt. Zu
gleicher Zeit wurde die neue Orgel in der Kirche aufgestellt. Sie war vom
Orgelbauer Franz Breil in Dorsten angefertigt und kostete 4120,50 Mark. Der
Prospekt kostete 840 Mark.
Am 18. Dezember feierte die Gemeinde das 60 jährige Priesterjubiläum des
Pfarrers Nonhoff, der seit 47 Jahren mit großem Seeleneifer seiner Gemeinde
vorgestanden hatte. Am Vorabend und am Festtage verkündeten feierliches
Glockengeläute und Böllerschüsse der Umgegend die hohe, seltene Feier. Am
Tage vorher kamen die Kinder, um dem Jubilar zu gratulieren. Des Abends
brachten die Sodalen ein ein Ständchen Vor der Pastorat hatte die Westrich
einen schönen Bogen errichtet und einen Spruch in die Tür gehängt. Am Tage
selbst wurde ein Levitenamt gehalten, und die Festpredigt, worin er über die
Würde und den Segen des Priestertums sprach. Am Schlusse wurde gesungen „Großer
Gott wir loben dich!“ Zum ersten Male wurde die neue Orgel gespielt. Nachher
fand die Gratulation in der Pastorat statt. Der Herr Pastor konnte der
kirchlichen Feier nicht beiwohnen. Wegen des leidenden Zustandes fand auch
keine bürgerliche Feier statt. Ein kleines Festmahl vereinigte die
Geistlichen der Umgegend.
Im Jahre 1891 wurden am Chor die Fenster „Die Rosenkranzkönigin“ und die
„Wiederauffindung im Tempel“ eingesetzt; ersteres war ein Geschenk des
Vikars Segbers, letzteres der Eheleute Klaus.
Am 8. Oktober verschied der gute Pfarrer Nonhoff. Seit 1 ½ Jahren war er
schwer leidend. Fast täglich empfing er die hl. Sakramente. Am Ende gesellte
sich zu den Körperleiden Geistesumnachtung. Er war 86 Jahre alt. Was während
der letzten Jahre der damalige Coperator Karthaus dem alten Herrn gewesen ist,
das läßt sich nicht niederschreiben. Immer und immer wieder wurde er
verlangt, und daneben stand er ganz allein in der Pfarre als Seelsorger und
Hirt. Unermüdlich schaffte und wirkte er, jede Stunde benutzend. Mit einem
Feuereifer war darauf bedacht, das neue Gotteshaus würdig auszustatten und
seine Gemeinde weiterzuführen, wie es die Jahre 1887-1891 schon beweisen. Als
am 29. November 1891 die Nachricht eintraf, unser Kaplan sei zum Pfarrer
ernannt, da brach die Freude los. Noch ehe der neue Pfarrer von Münster
heimgekehrt war, läuteten die Glocken und knallten die Böller. Als der neue
Pfarrer sich ahnungslos seinem Wirkungskreise näherte, war er sehr erstaunt,
da er doch erst vor wenigen Stunden seine Ernennung aus dem Munde seines
Bischofs vernommen hatte, und nun grüßten ihn schon die Glocken, die
Böller, der Kirchenvorstand und viele Leute als den neuen Pastor. Der Draht
hatte ihm den Streich gespielt und ein guter Freund in Münster.
Am 15. Dezember 1891 war die feierliche Einführung durch den Herrn
Landdechanten Lorenz von Dorsten. Die Gemeinde hatte alles aufgeboten, um
diesen Tag so festlich wie möglich zu machen. Der Weg auf der Feme zur
Pastorat war mit Fähnchen und Bögen geziert. Auch das Dorf und besonders die
Kirche waren prächtig geschmückt. Des Abends war Fackelzug. Der Weg auf der
Feme, die Edelkastanienallee, die Femeiche und besonders das Pfarrhaus waren
illuminiert. Bei der alten Eiche wurde ein schönes Feuerwerk abgebrannt. Das
Wetter war äußerst milde und windstill, so daß sich alles recht schön
entfalten konnte. Dies schöne Fest, das eine 36 jährige eifrige
Hirtentätigkeit einleitete, ist noch gewiß allen denen im Gedächtnis, die
es miterlebt haben.
Es würde zu weit führen, wollte ich auch nur ansatzweise schreiben, was der
junge Pastor in Erle wirkte. Mit wenigen Angaben muß ich mich begnügen. Im
Jahre 1892 wurde das hundertjährige Pfarrhaus gründlich restauriert. Im
selben Jahre wurde das Triumphkreuz im Chorbogen angeschafft. Im Mai 1893
wurde der Verein von der hl. Familie eingeführt. Im Herbste desselben Jahres
reist der junge Pastor nach Rom, hatte Audienz beim Hl. Vater Leo XIII. und
brachte eine Reliquie vom hl. Sylvester für seine Kirche mit. Das silberne
Krankenkreuz wurde umgearbeitet und enthält jetzt diese Reliquie. Nach
längerem Aufenthalt in Rom bei seinem Onkel, dem Kardinal Paulus Melchers,
kehrte er mit noch anderen Reliquien, die in einem Reliquiarium Platz gefunden
haben, in seine Pfarre heim. Im Jahre 1894 leitete Pastor Karthaus die sehr
schwierige Ablösung aller Renten der Pastorat, Küsterei und Kirche ein.
Diese bittere Arbeit zog sich bis in das Jahr 1895 hinein. Im September 1894
wurde ein gotisches Tiborium angeschafft. Am 8. Dezember wurde das Bild der
immerwährenden Hilfe bei Gelegenheit einer Mission feierlich der Verehrung
übergeben. Die Andacht zur immerwährenden Hilfe fand in der Gemeinde einen
solchen Anklang, daß der Pastor sehr zufrieden war. 1895 erbat und erhielt er
die Vollmacht, an jedem Herz-Jesu-Freitage nach der hl. Messe den Segen zu
geben. Der Kerzenstock vor dem Bilde der immerwährenden Hilfe und der Aufsatz
auf dem Muttergottes-Altar wurden im selben Jahre nach der Zeichnung von
Architekt B. Hertel angeschafft; sodann wurde die Bruderschaft von der ewigen
Anbetung eingeführt. Zum Feste der hl. Dreikönige 1896 wurden die Bilder der
hl.Dreikönige geschenkt. Im Februar wurde ein Taufsteingitter in Münster
nach der Zeichnung von B. Hertel angefertigt. Zwei Wandarme für das ewige
Licht wurden angeschafft und das Gotteshaus durch den Kirchenmaler Schräder
aus Münster dekoriert für 4000 Mark. Am 8. Dezember wurde die
Rosenkranzbruderschaft feierlich eingeführt und eine Rosenkranzfahne für 300
Mk. geschenkt. 1898 wurde ein Heiligenhäuschen mit der schmerzhaften Mutter
Gottes bei Tellmann-Kuhlmann aufgestellt. Am 8. September wurde der
Mütter-Verein eingeführt und eine Mutter-Anna-Fahne für 425 Mk. gekauft.
Auch der neue Credenztisch kam auf das Chor. Zu Weihnachten wurde der neue
Teppich zum ersten Male ebraucht. Im Jahre 1899 wurde das silberne
Priesterjubiläum gefeiert und ein schönes weißes Meßgewand mit rotem Kreuz
beschafft. Nach 26 Jahren wurde durch den hochwürdigen Weihbischof Maximilian
von Galen wieder in Erle gefirmt am 14. August 1900. Zu Pfingsten 1903 wurde
die neue Turmuhr aufgestellt. Sie kostete 1675 Mark und war von Vortmann in
Recklinghausen geliefert. Im Herbste desselben Jahres wurde die Umgebung der
Kirche entwässert und gepflastert. Die Statuen des hl. Sylvester und Ludgerus
am Turmportal kamen 1907. Für die wichtigsten Akten und wertvollen
Gegenstände wurde auch im Pfarrhause ein feuer- und diebessicherer
Panzerschrank beschafft. Um den Hochaltar in der Kirche wurden die Wände bis
zu den Fenstern mit schön gemusterten Metlacher Platten für 844 Mark belegt.
Die Statue des hl. Josef wurde im Jahre 1912 angeschafft, ebenso die
Weihwasserbecken.
Im Laufe des Jahres 1913 erkrankte der Pfarrer ernstlich und mußte sich in
Münster einer nicht ungefährlichen Operation unterziehen. Der hochwürdige
Bischof besuchte ihn und teilte ihm mit, daß er ihm in der Person des
Seminarpriesters Anton Berning aus Holthausen einen Kaplan gegeben habe.
Bisher hatte der Pfarrer Karthaus ganz alleine gestanden. Unermüdlich war er
tätig im Beichtstuhl, am Altare, auf der Kanzel und in der Schule. Noch vor
dem Morgenglocke öffnete er die Kirche und stand seinen Beichtkindern zur
Verfügung, und wenn die Abendglocken längst verklungen waren, kniete er in
Andacht noch lange vor dem Tabernakel. Aushilfe nahm er nur wenig. Eine
Erkältung oder Heiserkeit zwangen ihn nicht nieder; das Wort Schonung stand
nicht in seinem Wörterbuche. Die Kranken lagen ihm besonders am Herzen; fast
täglich besuchte er sie und scheute keine weiten Wege. Wenn auch der Kaplan
mache Arbeit übernahm, so arbeitet er umso intensiver. 1914 hatte er den Bau
der neuen Kaplanei für 9500 Mark vollendet, als der Krieg die Seelsorgearbeit
verdoppelte. Im Januar 1916 wurde er zum Dechanten des Dekanates Dorsten
ernannt. Daß er auch diese Amt mit der größten Pünktlichkeit versah, ist
wohl selbstverständlich.
Am 29. November 1916 feierte die Gemeinde das silberne Pfarrjubiläum. Die
Kriegsnot drückte zwar das Fest, doch war eine Feier innerhalb der Gemeinde,
an die sich noch mancher Erler oft und gerne erinnert. Für kirchliche Zwecke
wurden dem Jubilar 4229 Mk. überreicht. Außerdem schenkten die Jungfrauen
ein Meßgewandt, die Jünglinge eine Stola, die Kinder eine Albe, Kaplan und
Lehrkollegium ein Roschett mit Klöppelspitze. Pfarrer Karthaus stiftete zum
Gedächtnis dieses Tages ein Hochamt für die gefallenen Krieger und ein Kreuz
für den neuen Kirchhof.
Die Glockenstube unseres neuen Turmes war fast leer geworden. Wir mußten die
größte und kleinste Glocke dem Weltkriege opfern. Nach manchen
Enttäuschungen brachte Dechant Karthaus es fertig, das zu Weihnachten 1923
drei größere, harmonisch abgestimmte, neue Bronzeglocken durch die Gemeinde
klangen und Anteil nahmen an Freund und Leid. Die Glocken kosteten 3503 Gulden
und die Montage 1279 Goldmark.
Wie sehr der Herr Dechant die Liebe, Verehrung und Anhänglichkeit seiner
Pfarrkinder besaß, das zeigte so recht das goldene Priesterjubiläum, das am
13. und 14. August 1924 gefeiert wurde. Der Kirchenpatron Herr Graf von
Merveldt, der Herr Landrat Dr. Klausener von Recklinghausen, Herr Regens
Grewing von Münster und Bürgermeister Kuckelmann, sowie 34 Geistliche waren
anwesend. Nach der kirchlichen Feier versammelten sich zum Festmahle im eigens
dazu aufgestellten Festzelte nicht nur die Erler Frauen und Männer, sondern
auch viele, die aus Erle vor vielen Jahren weggezogen waren. Es drängte sie
alle, dem Jubelgreis ihre Verehrung zu bringen an seinem Ehrentage. Schöner
und würdiger hat Erle nie ein Fest gefeiert. Unvergeßlich ist es allen
Teilnehmern. Außer anderen Geschenken hatte die Gemeinde dem Dechanten eine
Summe Geldes zur freien Verfügung überreicht. Sofort benutzte er diese, um
das Dach der Kirche für 8500 Mark ausbessern zu lassen.
Im Jahre 126 hatte der Dechant eine große Eile, den schon vor vielen Jahren
angekauften Friedhof einzuteilen, einzufriedigen und zur Benutzung fertig zu
machen. Am 14. November weihte er denselben ein und hielt unter dem neuen
Kreuze bei stürmischem Wetter die Predigt unter dem Vorspruch: „Hier werde
ich begraben werden, hier werde ich auferstehen!“
War es eine Ahnung? Genau ein später sollte sich das seine Gruft zu Füßen
des Gekreuzigten öffnen, seinen Leib aufzunehmen. Durch den Winter 1926/27
arbeitete er mit voller Energie. Auch im Sommer 1927 versah er seine
Obliegenheiten noch voll und ganz, doch fiel sein Körper immer mehr zusammen
und konnte dem starken Willen nicht mehr gehorchen. Ein böses Magenleiden
brachte den Kräfteverfall. Am Rosenkranzfest 1927 versah der Dechant noch
seinen Dienst und hielt auch die Predigt noch. Dann aber mußte er das Bett
hüten und litt große Schmerzen. Bei Besuchen sprach er mit Anstrengung,
hoffte aber doch, bald wieder das hl. Meßopfer darbringen zu können. Der
Herr über Leben und Tod hatte es jedoch anders beschlossen. Am 4. November
1927, einem Herz-Jesu-Freitage, rief er seinen Arbeiter aus dem Weinberge, um
ihm seinen Lohn zu geben. Mit dem dumpfen Totengeläute überfiel tiefe Trauer
seine Gemeinde und alle, die ihn kannten. Unermüdlich hat er Großes
geschaffen in den Seelen und im Gotteshause; noch viel Größeres hat er
getan, ohne es bekannt werden zu lassen. Schön und sehr richtig sagt sein
Totenzettel: „Ein eifriger Priester in Kriche, Schule und Gemeinde. Ein Mann
des Gebetes. Ein Vorbild allen.“
Herr, gib ihm die ewige Ruhe!
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Dieser Text wird mit freundlicher
Genehmigung von Elisabeth und Julius Lammersmann hier gezeigt. Das berechtigt
aber nicht zu der Annahme, das dieser im Sinne des Urheberrechts als frei
zu betrachten sei und daher von jedermann benutzt werden dürfe. Alle Rechte
liegen weiterhin bei den Erben von Heinrich Lammersmann.