Bereits der Erler Heimatforscher Heinrich Lammersmann konnte anhand vieler archäologischer Funde und durch die Überlieferung alter Flur- und Hofnamen daraus schließen, dass Erle bereits in der Jungsteinzeit besiedelt war. Dies erste, auch Ursiedelung genannte Ansammlung von Wohnstätten kann man auch heute noch erkennen, es sind die heute noch bestehenden Bauernhöfe auf der Linie von "Bente aufm Huck" bis "Schulte Huckels" [1][2]. In der Bauerschaft Östrich wurden in der Gegend Anfang des 20. Jahrhunderts vermehrt bei Feld- und Hofarbeiten Funde wie Steinbeile, Faustkeile, Feuersteinmesser, Pfeilspitzen aber auch Grabgefäße gefunden [3]. Besonders auffällig sind natürlich die Hügelgräber. Auf dem Gebiet von Erle sind insgesamt 17 Hügelgräber bekannt, leider wurden diese durch Erdabtragungen und Flurbereinigungen teilweise so zerstört, dass sie nicht mehr als solche sofort zu erkennen sind. Von den 17 sind heute also leider nur noch 11 vorhanden. Das bekannteste Hügelgrab ist der Hügel Nr. 7 an der Straße "Werlo", mit 19m Durchmesser und einer durchschnittlichen Höhe von 1.80m. In diesem Grab wurden allerdings keine Funde getätigt, von vielen anderen der Erler Grabhügel sind allerdings Raubgrabungen bekannt und der Hauptlehrer Fritz Sagemüller stellte auch Vermutungen an, wo sich deren Inhalte befinden könnte [4]. Wer es nicht weiß, wird jedes Mal daran vorbeifahren. Wem der Hügel dann gezeigt wurde, wird sich fragen, warum er jahrelang daran vorbeigefahren ist, ohne ihn zu bemerken. Seit einiger Zeit fällt es leichter, der Heimatverein hat eine ihrer wirklich tollen Hinweistafeln dort aufgestellt. Der Hügel ist vollständig von Bäumen und ein wenig Unterholz überwachsen, so dass er im Sommer so gut wie nicht von der Straße "Werlo" zu sehen ist, an deren Rand er unmittelbar liegt (Wiederum kurz vor der Einmündung in die "Rhader Straße". Die Fotos unten wurden im Winter gemacht und geben leider nicht ganz genau wieder, wie sehr der Hügel aus der restlichen flachen Landschaft heraus sticht. Er gehört übrigens zu einer größeren Grabhügelgruppe, von denen heute noch sieben erhalten sind. Diese Grabhügel, im Volksmund auch Hügelgräber genannt, wurden als Bodendenkmäler ausgewiesen und sind somit besonders geschützt.
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Grabhügel in der Erler Östrich

Grabhügel in der Erler Östrich
Foto:
Lisa-Marie Kleerbaum

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Grabhügel in der Erler Östrich     Funde aus der Steinzeit
Grabhügel in der Erler Östrich
Foto: Michael Kleerbaum

Funde aus der Steinzeit
Foto: Fritz Sagemüller
Quelle: Heimatkalender der Herrlichkeit Lembeck 1925
Veröffentlicht gem. §64 UrhG
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Es konnten in dem oben gezeigten Grab bei archäologischen Grabungen leider keine Funde getätigt werden, die einen Hinweis darauf geben könnten, von wem und wie dieser Grabhügel als Totenstätte  genutzt wurde. Durch Heranziehung anderwärtiger archäologischer Erkenntnisse kann folgendes angenommen werden: Am Anfang des 2. Jahrtausends v.Chr. drangen aus den Ostländern viehzüchtende Volksgruppen in Westfalen ein und vermischten sich mit den hier heimischen Bauernkulturen, die ihre Toten in Großsteingräbern (Hünengräbern) oder Steinkisten beerdigten. Die Eindringlinge, auch Steinaxtleute genannt, beerdigten ihre Toten in Einzelgräber bzw. großen, kreisrunden Grabhügeln mit Durchmessern um 20m, die man vielfach an weithin sichtbaren Orten anlegte. Die Toten legte man in eine Grabkammer aus Holz. Diese Grabhügel wurden dann oftmals über Jahrhunderte hin als Friedhof benutzt. In der Eisenzeit verdrängten dann die Flachgräber die Grabhügel. Neben den Hünen- und Steinkistengräbern gehören die bis zu 4000 Jahre alten Grabhügel zu den großen Grabanlagen Westfalens. Die meisten dieser Anlagen wurden bei der Kultivierung der Heide- und Waldböden zu Weide- und Ackerland zerstört.


Einen ganz besonderen Fund aus der frühen Bronzezeit stellt der sogenannte „Erler Riesenbecher“ dar [5][6]. Er ist einer von nur vier weiteren vergleichbaren Funden, davon drei in Deutschland (Borken in Westfalen, Pavenstädt, Kreis Gütersloh, Höven, Kreis Coesfeld) und einer in den Niederlanden (Arnheim) [7][8]. Der Keramikbecher (auch Trompetenbecher, wegen seiner charakteristischen Form so genannt) ist ca. 43cm hoch und ist vom Fuß bis zum Rand durchgehend verziert. Es wechseln sich hier vier Zonen mit wulstartigen, glatten Bänder mit umlaufenden Rillen, die Schnureindrücke nachahmen sollen, mit drei Zonen plastischer regelmäßiger Ornamentik ab, die aus herausgekniffenden, in äußerst regelmäßig angeordneten Reihen von Buckeln besteht. In Fachkreisen als Fingerkniff- und Wickelschnurverzierungen benannt. Am oberen Rand des Bechers verläuft eine Reihe mit unregelmäßig versetzt angeordneten kleinen Löchern [9][10]. Gefunden wurde der Erler Riesenbecher Ende 1965 durch einen einheimischen Fuhrunternehmer. Dieser fand auf einem Sandhaufen im Östricher Bruch, das ist Teil der Erler Bauerschaft Östrich eine verzierte Scherbe. Nun war ein solcher Fund in dieser Gegend nichts Besonderes, viele solcher Bodenschätze wurden im Laufe der Zeit durch Bodenausbeutung und Landwirtschaft unerkannt zerstört. Doch der Finder meldete seinen Fund dem Raesfelder Heimatforscher Johannes Löchteken. Dieser durchsiebte in tagelanger Arbeit den Dünenrücken und fand dort in 70cm Tiefe nicht nur den aufrecht in der Sanddüne stehenden unteren Teil des Bechers sondern auch noch 4/5 des restlichen Materials. Im damaligen Landesmuseum Münster wurde der Erler Riesenbecher dann restauriert und es wurde eine Replik angefertigt. Das Original des endneolithischen Bechers steht im LWL-Museum für Archäologie in Herne, im Erler Heimatmuseum kann die Replik besichtigt werden. Zugeordnet wurde dieser besondere archäologische Fund der sogenannten Becherkultur, die zeitlich am Ende der Jungsteinzeit bis in die frühe Bronzezeit eingeordnet ist. Die große Frage, die wohl niemals gelöst werden kann ist, wofür dieser Becher gedient hat und warum er gerade dort vergraben wurde wo er schätzungsweise 4000 Jahre [11] später wiedergefunden wurde. Die Deutung als Vorratsgefäß ist naheliegend, allerdings wurden in der nahen Umgebung keine Spuren einer zugehörigen Siedlung gefunden worden. Auch fehlen eindeutige Spuren für kultische Handlungen in Form von Brandspuren oder Holzkohle. Da in der Nähe des Fundorts Hügelgräber gefunden wurden ist auch eine Deutung in dieser Hinsicht nicht auszuschließen.

Der Erler Riesenbecher     Fund im fränkisch-merowingischen Gräberfeld
Der Erler Riesenbecher
Foto: „LWL-Archäologie für Westfalen“ (LWL/S. Brentführer), mit freundlicher Genehmigung
Der berühmte Glasbecher, Fund im merowingischen Gräberfeld
Foto: Fritz Sagemüller
Quelle: Heimatkalender der Herrlichkeit Veröffentlicht gem. §64 UrhG

 

Während in der heutigen Bauerschaft Östrich vermehrt steinzeitliche Funde getätigt wurden und bronzezeitliche Hügelgräber zu sehen waren und sind wurden in der anderen Erler Bauerschaft, der Westrich, ein Gräberfeld aus fränkisch-merowingischer Zeit entdeckt und vollständig ausgegraben und sorgfältig katalogisiert worden. Etwa 700m Luftlinie westlich der Femeiche wurden bereits Anfang des 20. Jahrhunderts auf dem Bauernhof Nienhaus-Kampe durch die Hofarbeiter und der Bauernfamilie selber zahlreiche Artefakte gefunden. Leider gingen diese Funde komplett verloren bevor sie dem zukünftigen offiziellen Pfleger und Obmann für Bodenaltertümer, Herrn Bernhard Lammersmann, übergeben werden konnten. 
 
 
Funde im fränkisch-merowingischen Gräberfeld     Funde im fränkisch-merowingischen Gräberfeld
Funde im fränkisch-merowingischen Gräberfeld
Skizzen: Fritz Sagemüller
Quelle: Archiv Walter Biermann, mit freundlicher Genehmigung

Funde im fränkisch-merowingischen Gräberfeld
Foto: Fritz Sagemüller
Quelle: Archiv Walter Biermann, mit freundlicher Genehmigung

 

Ein paar Jahre später wurden bei Bodenarbeiten weitere Gegenstände gefunden, die dieses Mal durch den damaligen Oberlehrer Schulz aus Dorsten in das dortige Museum verbracht wurden. Bei dieser Gelegenheit konnte Bernhard Lammersmann die Funde durch den direkten Vergleich als „fränkisch-merowingisch“ identifizieren [12]. 1910 wurde dann zu Pfingsten das erste Grab gefunden mit den Abmessungen ca. 2,0x1,0x0,95m, von Westen nach Osten angeordnet. In diesem Grab wurden neben bronzenen Teilen von Kleidungsstücken, zwei Lanzenspitzen mit langen Tüllen, ein Grabgefäß, verschiedene Urnenscherben, ein silbernes Kreuz, Perlen und ein Spinnwirtel. Ein zweites Grab folgte wenige später. Es folgte eine Pause, 1912 wurden die Grabungen wieder aufgenommen, aber keine weiteren Gräber gefunden. Nachdem dann 1924 bekannt wurde, das der Bauer größere Erdarbeiten durchführen wollte bekamen Lammersmann und sein Kollege, Lehrer Fritz Sagemüller, die Erlaubnis, vorher die dafür vorgesehene Fläche zu untersuchen. Bis 1926 wurden dann insgesamt 22 Gräber gefunden und vorsichtig freigelegt. Dabei wurden verschiedenste Schmuckstücke (u.a. Glas-, Ton- und glasierte Porzellan-Perlen, Nieten, Schnallen, Bernsteinbrocken, Bronzeringe, Wirtel), Waffen (Messer, verschieden große Schwerter, Lanzenspitzen, Äxte verschiedenster Größen, Pfeilspitzen mit Widerhaken, Saxe, Skramasaxe), Beschläge und Schildbuckel von hölzernen Schilden, verschiedenste Tongefäße mit Verzierungen, Schlüssel, christliche Kreuze, diverse Münzen u.a. aus Gold und zur Überraschung aller ein seltenes, verziertes Glasgefäß mit 15.5cm Höhe. 

 
 
Funde im fränkisch-merowingischen Gräberfeld     Funde im fränkisch-merowingischen Gräberfeld
Funde im fränkisch-merowingischen Gräberfeld
Foto: Fritz Sagemüller
Quelle: Archiv Walter Biermann, mit freundlicher Genehmigung

Das Gräberfeld um 1927
Foto: Lehrer Laukemper, Holsterhausen
Quelle: Archiv Walter Biermann, mit freundlicher Genehmigung

In keinem der Gräber wurden Überreste der dort Bestatteten gefunden und bis auf ein Tuchstück auch kein Kleidungs- oder sonstiges Stoffstück. Jedes Grab hatte mindestens ein Grabgefäß, viele verziert und alle auf einer Drehscheibe hergestellt. Sämtliche Gräber konnten anhand der Grabbeigaben problemlos als Männer- und Frauengräber identifiziert werden [13]. Bemerkenswert ist aber auch, dass in den Gräbern Unmengen von viel älteren, germanische, Urnenscherben und zahlreiche Kohlestücken in allen Größen gefunden worden sind. Bernhard Lammersmann konnte eine germanische Urne wieder zusammensetzen und als solche identifizieren. Die Vermutung liegt nahe, dass das Gräberfeld schon vor den Merowingern von den Sachsen als Grabstätte genutzt wurde. Anhand von zwei gefundenen fränkischen Bronzemünzen wird angenommen, dass das Gräberfeld zwischen dem 6. und mindestens noch bis zum 7. vielleicht 8. Jahrhundert n.Chr. genutzt wurde. Heute ist von dem Gräberfeld nichts mehr zu erkennen, die Fläche wird wieder landwirtschaftlich genutzt. Eine Erinnerungstafel mit der Geschichte der Ausgrabungen, gestiftet vom Erler Heimatverein, erinnert vor Ort an die bedeutsame Geschichte. Die Grabfunde sind zum größten Teil in verschiedene Museen verschwunden, können aber teilweise auch im Erler Heimathaus angeschaut werden.


Funde im fränkisch-merowingischen Gräberfeld     Funde im fränkisch-merowingischen Gräberfeld
Funde im fränkisch-merowingischen Gräberfeld
Foto: Fritz Sagemüller
Quelle: Archiv Walter Biermann, mit freundlicher Genehmigung

Funde im fränkisch-merowingischen Gräberfeld
Foto: Fritz Sagemüller
Quelle: Archiv Walter Biermann, mit freundlicher Genehmigung


Funde im fränkisch-merowingischen Gräberfeld     Funde im fränkisch-merowingischen Gräberfeld
Der Hof Nienhaus-Krampe, ca. 1927
Foto: Lehrer Laukemper, Holsterhausen
Quelle: Archiv Walter Biermann, mit freundlicher Genehmigung

Funde im fränkisch-merowingischen Gräberfeld
Foto: Fritz Sagemüller
Quelle: Archiv Walter Biermann, mit freundlicher Genehmigung


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Wer heute durch die Erler Östrich, genauer im Dreieck Osterlandwehr/Osterströh/Bundesstraße 224 mal von den Wegen abgeht und zum Beispiel durch den Schulbusch [14] wandert, dem werden dort einige wenige Reste von offensichtlich künstlich hergestellten Erdwällen auffallen. Noch vor ca. 150 Jahren konnte man noch mehr Reste davon in der damaligen Heidelandschaft finden. Auch einige mysteriöse quadratische Gruben und kleine, umwallte Plätze in der Heide waren noch gut zu sehen und beschäftigten die Phantasie der Leute [14].  Bei unseren Urgroßeltern war diese Gegend von jeher als „Lager“ und später auch als „Römerlager“ [14] bekannt, aber genaueres wusste man nicht und mit der schnellen Kultivierung der Heidelandschaft zu landwirtschaftlich genutzten Flächen verlor sich das alte Wissen im selben Tempo wie der größte Teil der noch vorhandenen Bodendenkmäler eingeebnet worden sind. Der bekannte Erler Heimatforscher Heinrich Lammersmann kannte die Reste der Wallanlagen schon als Kind [15]. Später konnte man zwischen den wenigen Resten keinen Zusammenhang mehr herstellen und sah in ihnen einfach nur noch Landwehren, was sich ja dann auch in den Straßennamen Osterland- und Westerlandwehr widerspiegelt.

Die heutigen, wenigen Reste werden durch Wald verdeckt, so dass die heutigen Generationen immer sehr erstaunt sind, wenn sie erfahren, dass sich in unmittelbarer Nähe zum Dorf einmal ein großes, befestigtes Militärlager befunden hat.

Das Gebiet dieses Lagers war ca. 50-60ha [15] groß, in seiner Ost-West-Ausdehnung ca. 800m breit [18] und wird von der Bundesstraße B224 ungefähr in zwei gleichgroße Teile geteilt. Die Südgrenze verlief ungefähr parallel mit der Westerlandwehr, die Nordgrenze knapp hinter der Straße Osterströh. Die Ostgrenze teilte das heutige Straßendreieck B224/Osterlandwehr/Osterströh und die Westgrenze verlief bei den heutigen Tennisplätzen [14]. Dieses Lager dürfte also für eine ganze Menge Soldaten Platz zum Wohnen geboten haben. Bereits im 19. Jahrhundert interessierten sich Fachleute aus der damaligen Provinzhauptstadt Münster für das Erler Lager. Wie die Erler Schulchronik, die im Jahre 1887 durch Heinrich Lammersmann begonnen wurde, berichtet, wurde die Gegend zwischen 1870 und 1880 von einem Professor Hosius untersucht. Dieser prägte dann auch den, wie sich später herausstellte, falschen Begriff vom „Römerlager bei Erle“. Zu dieser Zeit waren die sichtbaren Wallreste noch rund 150cm hoch. Erst 1884 wurde das Interesse wieder größer und Heinrich Lammersmann und der Marbecker Hausherr der Burg Engelrading, Bernhard Hinsken und einige Hilfskräfte nahmen die Ausgrabungen wieder auf.

Danach ruhten die Ausgrabungen bis 1901, damals wiederholte Hinsken seine Exkursion. 1907 führte dann der Dorstener Oberlehrer A. Hartmann und Bernhard Hinsken die Ausgrabungen mit Unterstützung vom Dorstener „Verein für Orts- und Heimatkunde“ weiter. Sie führten an diversen Stellen Versuchsgrabungen und Bodenschnitte durch und fanden dabei unter anderem direkt vor der Schreinerei Heisterkamp rechts der Straße Osterlandwehr das Osttor des Lagers [14]. Gegenüber auf der Westseite wurde eine Lücke im ehemaligen Wall aufgefunden und dieses wurde dann als Westtor gedeutet. Der Südwall war schon damals komplett abgetragen und so nicht mehr zu erkennen. Allerdings konnte man durch die Bodenschnitte den ehemaligen Wallgraben, den man in frühen Zeiten nach dem Abzug des Militärs wieder aufgefüllt hatte, auffinden und somit den Verlauf des Walles feststellen. In der Nordwestecke des Lagers befanden sich damals noch zwei Wassertümpel, die man als Wassertränke für die Tiere des Militärs deutete [15]. An den damals noch vorhandenen Resten des Westwalls fanden sich noch drei quadratische Flächen von ca. 7m Kantenläge und der gleichen Höhe wie der Wall selber. Oberlehrer Hartmann vermutete in diesen Flächen Geschützstellungen. Auch im Nordwall konnte er einen solchen Platz finden, von zwei weiteren, bereits eingeebneten wurde ihm berichtet [15].

   
Das spanische Lager in Erle
Zeichnung: Adalbert Friedrich
Quelle: Heimatkalender der Herrlichkeit Lembeck 1970
mit freundlicher Genehmigung des Zeichners
Messtischblatt Raesfeld, No. 2356
Zeichnung: Bernhard Hinsken 1907
Quelle: Vestische Zeitschrift Band 17, Ausgabe 1907/'08
Veröffentlicht gem. §64 UrhG

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Im gleichen Jahr kehrte Oberlehrer Hartmann und Herr Hinsken zurück um diesmal mit der Unterstützung der Westfälischen Altertumskommission [14]. Bei dieser zweiten Grabungskampagne sollte das innere des ehemaligen Lagers, insbesondere die Wohngruben untersucht werden (Es gab auch einige Wohngruben außerhalb des Walls [15]). Deren Abmessungen lagen zwischen 2,50x2,00 bis 4,00x3,40m während die Tiefe allgemein bei ca. 60cm lag [14]. Die Altertumsforschung nannte diese Gruben „Mardellen“. Vermutlich waren sie mit zeltartigen Konstruktionen überdacht. Neben diesen Wohngruben fanden die beiden Forscher auch noch eine Anzahl von noch mal umwallten, viereckigen Plätzen mit Kantenlängen zwischen 9 und 30m [15]. In diesen Vierecken waren auch noch vereinzelte Wohngruben zu finden. In diesen, als Zeltplätzen [15] gedeuteten Flächen und den Wohngruben selber hofften Hartmann und Hinsken nun Hinweise auf die ehemaligen Bewohner des Lagers und damit auch auf die zeitliche Einordnung zu finden [14]. Die örtlich, mündlich überlieferte Geschichte erzählte, das diese Gruben und Wallanlagen dazu diente, der Erler Bevölkerung in den vergangenen großen Kriegen eine Möglichkeit zum Verstecken des Viehbestandes zu geben um sie vor der Konfiszierung durch die damaligen Heere zu schützen [15]. Laut Hartmann ist dieses nicht von der Hand zu weisen, aber dürfte aber kaum als Grund der Erstellung gewesen sein.
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Wikipedia-Artikel
80jähriger Krieg
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Die beiden fanden in fast allen Wohngruben auf einen festen Fußboden, der entweder aus einer Lage Kieselsteinen oder aus festgestampften Lehm bestand [15]. Sie enthielten in der Mehrzahl alle Herdstellen und genau dort wurden die erhofften Funde getätigt: Scherben, Reste von Tonpfeifen, Nägel. Besonders die Scherben trugen zur Beantwortung einiger offener Fragen bei. Es handelte sich hierbei um sogenannte „rote Ware“, die infolge ihrer besonderen Glasur und durch die Art des Brandes als „jung“ bezeichnet werden konnte. Bei einer anderen Sorte handelte es sich um eine sogenannte Koblenzer-Ware, d.h. mit grauer Grundfarbe und blauer Bemalung, mit reliefartigen Verzierungen. Anhand dieser Scherben und den Tonpfeifen, die nicht vor dem 15. Jahrhundert vorkommen, konnte man ungefähr die Zeit des 30jährigen Krieges ermitteln [14]. Der 7jährige Krieg wurde als letzter der großen Kriege genannt, die sich diesem Heerlager hätten bedienen können [15]. Bei den Untersuchungen der außerhalb des Lagerwalls gelegenen Wohngruben vermuten die Forscher aufgrund der Scherbenfunde, das diese bereits vor der Erstellung des Lagers vorhanden sein hätte können. A. Hartmann gibt sogar zu, das seine Ausgrabungen, die nie den Status einer Voruntersuchung oder „Spatenwissenschaft“, nicht dazu ausreichten zu beweisen, dass der Wall und die Wohngruben zur gleichen Zeit angelegt worden sind. Weitere Untersuchungen wurden seitdem nicht mehr unternommen.

Das man heutzutage allerdings weiß, wer genau dieses alte Militärlager angelegt hat und ungefähr wann ist den Archiven des Grafen von Merveldt [16] und u.a. der akribischen Arbeit von Ingrid Sönnert zu verdanken. Demnach wurde das Lager von spanischen Truppen um 1598 unter dem Kommando von Don Alfonso Davilos errichtet, was genau mit den Funden der „Koblenzer Ware“ übereinstimmt, die man auf den gleichen Zeitraum datiert hatte [14]. Zu dieser Zeit war der spanisch-niederländische Krieg (auch als der 80jährige Krieg bekannt) auf seinem Höhepunkt und wie es damals üblich war, mussten die Einwohner der Länder, in denen sich die kriegsführenden Heere gerade befanden mehr oder weniger freiwillig für deren Versorgung gerade stehen. Nach langen Kriegsjahrzehnten waren die Niederlande völlig ausgeblutet und sowohl Spanier als auch Niederländer vielen in das Münsterland ein, das bis dahin vom Kriege noch weitgehend unbelastet und auch sehr schwach verteidigt war [16]. Über 24.000 Spanier überquerten unter dem Kommando des Feldherrn Francisco de Mendoza [16] den Rhein und rund 7000 Niederländer standen an den Grenzen zum Fürstbistum Münster und beobachteten das feindliche Heer [16]. Für die Menschen, vor allem in der Herrlichkeit Lembeck begann eine besonders große Schreckensherrschaft gegen die Landbevölkerung. Die spanischen Söldner hatten seit Jahren keinen vollen Sold mehr bekommen und so plünderten, raubten, schändeten und mordeten wahllos Frauen, Männer, Kinder und Alte. Auch Entführungen und Lösegelderpressungen waren an der Tagesordnung. Vielfach wurden einfach die Dorfkirchen besetzt und in Gefängnisse und Folterkammern umgewandelt, so auch in Rhade [16]. Den Aufzeichnungen in den Merveldtschen Archiven ist auch folgendes zu entnehmen: „Böckenhoff aus Erle nahm man 5 Pferde ab, außerdem 4 ½ Fuder Roggen, 7 ½ Fuder Hafer, 3 Fuder Heu, 80 Schafe, 14 Schweine, Hausgerät und Kleider. Er gab den Wert mit insgesamt 275 Reichstalern an.“ Die Landesherren konnten nur hilflos zusehen [17] und Matthias von Westerholt, der Herrscher über die Herrlichkeit Lembeck hatte extreme Probleme, eine Gegenstreitmacht aufzustellen. Erst mit dem berühmten Westfälischen Frieden zu Münster, wo das Ende des 30jährigen und damit auch das Ende des 80jährigen Krieges beschlossen wurde, kam die Herrlichkeit Lembeck wieder langsam zu einer relativen normalen Ruhe.

Wie gesagt, heute ist von allem nur noch sehr wenig zu erkennen. Sämtliche Wohngruben wurden inzwischen zugeworfen und der größte Teil der Wallanlagen eingeebnet. Nur im Erler Schulbusch erkennt man in dem nördlichen Teilstück noch den abgeflachten Rest vom Ostwall mit zwei vorgelagerten umwallten quadratischen Wallflächen. Ein weiteres, letztes Teilstück vom Ostwall endet an der Straße „Osterlandwehr“, dort wo 1910 die beiden Heimatforscher Hartmann und Hinsken das Osttor entdeckten [14].
 


Fragmente eines Steinbeils, von Walter Biermann 
an der B224
in der Nähe der ehem. NATO
gefunden.
Foto: Walter Biermann, mit freundlicher Genehmigung

 

Hier finden Sie weitere Fotos der Funde.

 

Quellen:
[1]

Heinrich Lammersmann: Die Steinzeit unserer Heimat, Heimatkalender der Herrlichkeit Lembeck, 1925, S. 50ff

[2]

Heinrich Lammersmann: Die Östrich, die Ursiedelung von Erle, Heimatkalender der Herrlichkeit Lembeck, 1926, S. 29ff

[3]

Kurt Kibbert: Die Äxte und Beile im mittleren Westdeutschland I C.H. Bech'sche Verlagsbuchhandlung München, 1980, ISBN 3-406-00777-5, S. 206

[4]

Heinrich Lammersmann: Hügelgräber der Herrlichkeit, Heimatkalender der Herrlichkeit Lembeck, 1934, S. 18ff

[5]

A. Stapel (Autorin), D. Bérenger - C. Grünewald (Hrsg.): Westfalen in der Bronzezeit, Zabern-Verlag, 1. Auflage, Münster 2008, ISBN 978-3-8053-3932-2, S. 57.

[6]

August Heselhaus: Der Riesenbecher von Erle, Heimatkalender der Herrlichkeit Lembeck, 1968, S. 62ff

[7]

U. Nahrendorf: Westfalen in Endneolithikum und früher Bronzezeit. Untersuchungen zur Besiedlungsgeschichte der Nordwestdeutschen Landschaft zwischen Niederrhein und Mittelweser., Band II Diss. Münster, 1989, S. 145

[8]

K. Günther: Steinzeit und Ältere Bronzezeit im Landesmuseum für Vor- und Frühgeschichte Münster. Einführung in die Vor- und Frühgeschichte Westfalens 1., 2. Auflage, Münster, 1971

[9]

August Heselhaus, Bodenforschung im Kreise Borken - Band IV, Kreis Borken, 1974, ISBN 3-927851-15-9

[10]

D. Bérenger (Autor), Gesellschaft zur Förderung der Archäologie in Ostwestfalen: Archäologie in Ostwestfalen Band 5, Verlag für Regionalgeschichte, Gütersloh 2000, ISBN 978-3-89534-367-4, Seite 19-28

[11]

Klaus Werner: Wenn der Riesenbecher von Erle erzählen könnte, Heimatkalender der Herrlichkeit Lembeck, 1999, S. 85ff

[12]

Heinrich Lammersmann: Die merowingisch-fränkischen Gräber zu Erle - Bausteine zu ihrer Geschichte. Heimatkalender der Herrlichkeit Lembeck, 1928, S. 69ff.

[13]

Heinrich Lammersmann: Die merowingisch-fränkischen Gräber in Erle bei Dorsten aus dem 6. bis 8. Jahrh. n. Chr., Heimatkalender der Herrlichkeit Lembeck, 1927, S. 18ff.

[14]

Adalbert Friedrich: Das Lager bei Erle, Heimatkalender der Herrlichkeit Lembeck, 1970, S. 61ff.

[15]

Oberlehrer A. Hartmann: Das Lager bei Erle, Vestische Zeitschrift, Band 17, Ausgabe 1907/'08,  S. 75ff.

[16]

Ingrid Sönnert: Die Herrlichkeit Lembeck während des Spanisch-Niederländischen und des Dreißigjährigen Krieges, Vestische Zeitschrift, Ausgabe 1997/'98, S. 7ff.

[17]

Wolfgang Viehweger: Die Grafen von Westerholt-Gysenberg, Verlag Rudolf Winkelmann, Recklinghausen, 2002, ISBN 3-921052-91-2